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Berlin – Richard Strauss’ „Elektra“ in der Deutschen Oper

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Berlin – Richard Strauss’ „Elektra“ in der Deutschen Oper

©Deutsche Oper Berlin, Bettina Stoess

Hugo von Hofmannsthal löste 1903 aus der dreiteiligen Atridensage den Elektra-Komplex heraus, verwandelte den griechischen Chor in kommentierende Mägde und verankerte die Grausamkeit des Schicksals in psychopathologische Traumata der Figuren. Bei Elektra ist es die Rache, bei der Mutter Klytämnestra die Schuld, am Gattenmord durch ihren Liebhaber Aegisth. Rein bleibt nur Elektras Schwester Chrysothemis. Sie will leben, Kinder, nicht tot sein, bevor sie stirbt. 

Richard Strauss’ psychopathologische Oper „Elektra“, 1909 in Dresden uraufgeführt, ist nach wie vor zeitlos aktuell, spiegelt sie doch die Verirrung in den Wahn, der statt Lösung nur zum Exit führt.

Tief in einem Granulat, das wie Lehm und Sumpf wirkt, umherwatend degradiert Elektra in dieser Inszenierung zur skurril existentialistischen Figur. Mit Catherine Foster wird sie gesanglich und schauspielerisch zur verzweifelt tobenden Furie, die jeglichen weiblichen Reiz verloren hat, mit roten Haaren schon optisch als Außenseiterin gebrandmarkt, mit Jacket und wuchtig geschwungener Axt männliche Entschlossenheit vortäuschend, die sie nicht hat. Nein, sie kann genauso wenig töten wie Chrysothemis, von Allison Oakes zart und zerbrechlich gezeichnet. Violeta Urmana als Klytämnestra mit weißer Perücke und unförmig rotem Mantel verhässlicht wird zum Schwerkaliber der Macht, die allein ihre Albträume, Orest könnte an ihr Rache nehmen, aus der Balance bringen. Als alte, knallharte Regentin erscheint sie in göttlicher Lichtaura hoch oben in einer Luke des Schachts, begibt sich hinab zu den Niederungen Elektras, zwei Psychopathinnen die sich gesanglich hochdramatisch und fulminant aneinander reiben, die aber keiner Frieden bringt. Stattdessen folgt mit dem Erscheinen Orests, Tobias Kehrer singt ihn mit sonor empathischem Timbre, die nächste Eskalationsstufe. Orest ersticht Aegisth. Elektra tanzt sich, euphorisiert von der endlich vollzogenen Rache, in den Tod.

Trotz aller Dramatik berührt die Inszenierung wenig. Kostümmäßige Stilisierung und tänzerische Verstärkung in der Schlussszene wirken fast parodistisch, nehmen der Dramatik die bleierne Schwere, die das Bühnenbild so großartig aufbaut. Wenn die Tänzerinnen des Staatsballetts wie Würmer in den Sand eintauchen und an Elektras Verwesung gemahnen, wird die schwungvolle Performance dem hochdramatischen Sterbemoment Elektras nicht gerecht. 

 

Opernkritik "Elektra" im Deutschen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Deutsche Oper Berlin, Bettina Stoess

Musikalisch besticht die gut besuchte vorletzte Vorstellung in dieser Spielsaison größtenteils. Unter dem Dirigat von Ulf Schirmer lotet das Orchester die komplexe Partitur in allen ihren dynamischen Facetten aus. Blechverstärkt, mit Trompeten zusätzlich sichtbar in luftiger Höhe werden die wagnerianischen Einflüsse fulminant hörbar, trotzdem halten größtenteils die Stimmen dagegen. Allerdings geht die Balance zwischen stimmlichem und instrumentalem Volumen dann verloren, wenn die Sängerinnen weit hinten auf der Bühne oder in der Luke auf der Rückwand positioniert sind. 

Nach der letzten Vorstellung am 24.04.2022 steht „Elektra“ wieder in der Spielzeit 2022/23 auf dem Programm. 

Künstlerisches Team: Kirsten Harms (Inszenierung), Ulf Schirmer (Dirigent), Bernd Damovsky (Bühne, Kostüme), Claudia Gotta (Spielleitung)

Es spielen: Catherine Foster (Elektra), Doris Soffel, (Klytämnestra), Allison Oakes (Chrysothemis), Tobias Kehrer, (Orest)