Zürich – „Der Mensch erscheint im Holozän“ nach einer Erzählung von Max Frisch jetzt im 3-Sat-Archiv

Theaterkritik "Der Mensch erscheint im Holozän" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Zoé Aubry

Geiser selbst tritt nicht auf. Er kehrt von der Wanderung zurück und bekommt einen Schlaganfall. Das Krankenbett ist schon leer, als seine Tochter anreist. Sich erinnernd erzählt sie, den Weg des Vaters in die Demenz und die Bedeutungslosigkeit all seines Wissens in Anbetracht der Erdgeschichte. Was sie zuweilen schönredet, kontrastiert der 27 Jahre jüngere Mann an ihrer Seite, der Krankenpfleger, mit sachlichen Argumenten, sehr authentisch gespielt von Karin Pfammatter und  Alexander Reichert. Sie könnten Mutter und Sohn sein. Sie zierlich klein, er groß und beschützend, wirken sie wie ein Sinnbild menschlicher Geborgenheit trotz konträrer Weltsichten.

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Sie schauen gemeinsam auf die Regenfluten, sitzen vis-a-vis auf einem riesigen Baumstamm, nähern sich. Jeder monologisiert zunächst vor sich hin, wodurch sich Weichenstellungen ergeben, sich der Blick auf diesen alten dementen Geiser als Inbegriff eines Menschenlebens schärft. 

Spiel und Text entwickeln eine ungewöhnlich poetische Aura, die Alexander Giesche durch Licht, Regen, Musik, Holozänmotive zu einer melancholischen Wohlfühlstimmung verdichtet, in der sich Lebensräume verändern und die Zeit ihre Bedeutung verliert. Es ist vor allem das subtile Spiel Karin Pfammatters, das die Seele dieser Tochter zwischen Trauer und Lebensfreude durch die Schönheit der Natur offeriert. Es ist eine Natur, die sich sehr verändert hat. Den letzten Adler gibt es nur noch als Jagdtrophäe im Wirtshaus, statt Bären und Wölfen begegnet man Schafen und Ziegen. Und trotzdem entfaltet diese Natur ihren Reiz, die tänzerisch beschwingt abheben lässt. Die Regenfälle werden immer heftiger, bedrohen, entwickeln aber auch den Charme der Stille.

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©Zoé Aubry

Dass Alexander Giesche die Kinder als die neue Generation in einer Phantasiewanderung miteinbezieht, ist ein wichtiger Aspekt. Allein die Ausführung mit zu viel Gehopse im Rahmen eines turnerischen Erlebnispacours wirkt zu lapidar, lässt die Kinder zwar phantasievoll in den Abgrund blicken, für eine Szene lang aber auch die Inszenierung fast kippen.