"Kultur macht glücklich"


Niederbayern – Pedro Calderón de la Barca – „Das Leben ein Traum“ im Theater an der Rott

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Niederbayern – Pedro Calderón de la Barca – „Das Leben ein Traum“ im Theater an der Rott

©Michaela Schabel

Harte Gitarrenriffs unter dem funkelnden Kosmos. Eine Stimme aus dem Off erzählt, warum der Königssohn als tot geboren deklariert wird. In Wirklichkeit…

hat er sich ein Leben lang im Kerker zum Tier verwandelt. Die inzwischen alte Königin will ihm eine Chance geben einen Tag lang zu herrschen, um zu prüfen, ob die Prophezeiung, dass ihr Sohn ein Tyrann werde, zu widerlegen. Über ein Zaubermittel in tiefen Schlaf versetzt wacht Prinz Segismundo im Schloss auf und darf einen Tag lang regieren. Auf dieselbe Weise soll er wieder ins Gefängnis zurückkommen, falls er an dieser Aufgabe scheitert. Das Leben ein Traum? Oder besser der Traum das Leben?

1636 schrieb der spanische Hofdramatiker Calderón (1600 – 1681) sein berühmtes Stück, das in Deutschland erst die Romantiker übersetzten und als Inspirationsquelle entdeckten. Das Versdrama ist Bühnengleichnis für eine religiös-philosophische Auseinandersetzung, wie man nach den christlichen Wertvorstellungen leben, Schuld erkennen und verzeihen kann. Selten aufgeführt ist es derzeit im Theater an der Rott zu sehen.

Das Stück mutet durch Inhalt und Rhythmik wie aus der Zeit gefallen an, doch Regisseurin Elke Maria Schwab-Lohr weitet die anfängliche Tragödie gekonnt in ein satirisch exaltiertes Märchenspiel, indem sich der Sprachduktus wie ein ironisches Stilmittel einfügt. Einschwebende fragmentierte Bühnenprospekte, aus dem Untergrund aufsteigend die überdimensionierte Königin als Inkarnation der Macht, daneben die noch gigantischere Krone, und die grotesk verfremdeten Kostüme persiflieren witzig barocken Aufführungsstil. 

Das naturalistische Spiel inklusive eines rabiaten Faustkampfes umrahmt von höfisch statischer Aura wirkt wie ein lebendig gewordenes Bilderbuch, aufgepeppt durch die Musik. Statt klerikaler Erbauungsmusik macht die Band „The Sonic Brewery“ mit neuen Crossover-Rock-Kompositionen die emotionalen Stimmungsschwankungen und spannende Handlungsmomente mit brachialer Explosivität und subtiler Poesie hörbar. 

Schauspielerischer Glanzpunkt ist Eduard Zhukov als Prinz Segismundo. Angekettet, mit verfilzten langen Haaren schlägt er wie ein wilder Löwe um sich, der, wie zu erwarten, als 1-Tage-König nur Rache und Völlerei im Sinn hat und zurück in seinem Verließ sich mit Abscheu auf seinen „Traum“ erinnert. Nach diesem Leben sehnt er sich nicht, nur nach der Schönheit der Frauen, wobei Zhukov sehr differenziert und überzeugend die extreme Gefühlspalette dieser Figur vermittelt. Katharina Heissenhuber wandelt Rosaura als Mann verkleidet auf der Suche nach Astolfo, der ihr die jungfräuliche Ehre nahm und sie verließ, in eine temperamentvolle und feinfühlige Frau. Patricia Wiegand zeichnet die Nichte der Königin als schlaue, charmante Opportunistin. Martin Dreiling macht aus Astolfo, dem Neffen der Königin, einen witzigen Charmeur, der immer auf seinem Vorteil aus ist, dem man aber nicht wirklich böse sein kann, genauso wie dem Diener Rosauras, von Andrés Mendez adäquat burlesk gespielt.

Wer klassisches Theater liebt, findet im Theater an der Rott, dem einzigen Landkreistheater Deutschlands, ein Kleinod gepflegter Theaterkultur.