München-Metropoltheater – Joachim Meyerhoffs „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“

Theaterkritik "Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

Von seiner Schauspielausbildung in den 90er Jahren erzählt Joachim Meyerhoff. „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ nennt er den dritten Teil seiner 6-teiligen Autobiografie „Alle Toten fliegen hoch“. Regisseur Gil Mehmert machte aus Joachim Meyerhoffs Erfahrungen in der Schauspielschule eine zweieinviertelstündige Bühnenfassung für das Münchner Metropoltheater.

Um den Unfalltod seines älteren Bruders zu verdrängen und der kleinstädtischen norddeutschen Enge zu entfliehen, zieht Joachim nach München. Statt Zivildienst macht er eine Schauspielausbildung und lebt komfortabel in einer alten Villa bei den Großeltern, die ihren Tagesrhythmus mit Alkohol strukturieren, um das Altern zu ertragen.
Zwei Welten treffen aufeinander, die Schauspielschule mit der Suche nach dem wahren Ausdruck und die groteske Pathetik der Großeltern. Er war Philosophieprofessor, sie Schauspielerin und hat immer noch Grande-Dame-Allüren.
Der rote Vorhang eröffnet den Blick in die beiden Szenarien zwischen Drinks-for-Two-Zeremonien in der Villa und den Selbsterfahrungsspielchen und ersten Bühnenerfahrungen der Schauspielausbildung.

Die Geschichte ist ein Schauspielmärchen, denn obwohl Joachim Meyerhoff sich ziemlich erfolglos durch die Schauspielschule quält, danach arbeitslos ist, wird er Jahre später Schauspieler des Jahres.

Gil Mehmerts Bühnenfassung und Inszenierung oszillieren zwischen Erzählung und Boulevardtheater, doch dieser Spagat will nicht so recht gelingen. Der ständige Wechsel von Komödie und schauspielerischen Reflexionen aus der distanzierten Ich-Perspektive wirkt kontraproduktiv, nimmt der Komödie die slapstickartige Wirkung, der Reflexion die Tiefgründigkeit. Der Witz bleibt im leitmotivischen „Herrschaftszeitn“ stecken, ohne dass „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ bei der Schauspielerei fühlbar wird.

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©Jean-Marc Turmes

Verortet in der Theaterästhetik der 90er Jahre und zwei Generationen davor, wirkt das Spiel auf beiden Ebenen ziemlich flach, präsentiert meist nur allzu Bekanntes. Die ständige Perkussion zur Geräuschakzentuierung (Stefan Noelle“) verliert schnell an Wirkung.
Spannung, die durch Stille knistert, kommt nur einmal bei der Probe einer Tschechow-Passage auf. Doch Joachims Grundkonflikt schauspielerisch ganz selbst sein zu sollen und innerlich doch Inkognito bleiben zu wollen, entfaltet sich kaum. Zu brav und naiv spielt ihn James Newton.
Insgesamt wird die Ebene der Schauspielausbildung zu sehr von der pathetischen Großelternwelt überstaubt und zum nostalgischen Unterhaltungsabend. Thorsten Krohn wandelt sich vom hypernervösen Schauspieldirektor zum Großvater mit Turnvater-Jahn-Grandessa in einen energetischen Aikido-Lehrer. Lucca Züchner gelingt der Spagat zwischen überkandidelter Schauspiellehrerin und sympathisch exzentrischer Großmutter.
In weiteren Rollen Vanessa Eckart, Lean Fargel, James Newton, Sophie Rogall und Nicolas Wolf.
Dem Ensemble galt letztendlich der große Premierenapplaus. Als harmloser Unterhaltungsabend wird die Inszenierung ihr Publikum finden.
Michaela Schabel