München – „Dantons Tod“ im Residenztheater

theaterkritik "Dantons Tod" im Residenztheater München präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Residenztheater München/Sandra Then

In nur fünf Wochen schrieb Georg Büchner, 21 Jahre jung, „Dantons Tod“, das einzige Stück, das von ihm zu Lebzeiten 1835 aufgeführt wurde. Es kreist um die Werte der französischen Revolution „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ als Basis aller folgenden Demokratien und um die Frage nach der Notwendigkeit von Gewalt zur Verfolgung politischer Ziele, weshalb Büchner nicht den Enthusiasmus der beginnenden Revolution dramatisiert, sondern das Chaos der letzten Tage 1794 unter der Schreckensherrschaft der Jakobiner. Die ehemaligen Weggefährten Danton, epikureischer Melancholiker, und Robespierre, tugendsamer Dogmatiker, stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Schon für das Frühjahr geplant, wegen des Lockdowns verschoben, im Oktober wegen des zweiten Lockdowns vor leerem Zuschauerraum gespielt, entwickelt  Sebastian Baumgartens Inszenierung auch als Live-Stream eine tiefgründige Wucht.  

Nach seiner als Farce kritisierten Version vor zehn Jahren am Gorki-Theater stellt er jetzt, „Dantons Tod“  in das Spannungsfeld roboterhaft dressierter Menschen, düster hektischer Videoprojektionen und eines Revolutionspathos à la Lenin. «Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!»

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©Residenztheater München/Sandra Then

Mit Florian von Manteuffel (Danton) und Lukas Rüppel (Robespierre) als markante Antagonisten, bester Besetzung bis in die Nebenrollen leuchten Büchners dramatische Kraft und  vielzitierte Sätze wie Meteoriten auf, wirkungsvoll untermalt von melancholischen Klavierimprovisationen, lautem Schreibmaschinengetippe, aufheulenden Sirenen und dem dröhnendem Räderwerk der Zerstörung. Freiheit wäre Glück, doch vorerst gilt. „Die Revolution frisst ihre Kinder.“ 

Damit  Büchners Idee vom Theater als Bildungsanstalt noch mehr zur Wirkung kommt, lässt Sebastian Baumgarten die Figur des Legendre (Thomas Lettow) am Schluss als Dozent mit den Worten des deutsch-russischen Philosophen, Kunst- und Medientheoretikers Boris Groys agieren. Während Fortschritt die  Vergangenheit zerstört, schützt sie die Kunst. Das finale Fazit „Eine von der Hysterie des Überlebens beherrschte Gesellschaft ist eine Gesellschaft der Untoten“ erklärt nicht nur den  fulminanten Beginn der Inszenierung, sondern auch die Bedeutung der Kunst in der Pandemie. Ein ausgezeichneter Schluss über Büchner hinaus. 

Regie: Sebastian Baumgarten, Bühne: Thilo Reuther, Kostüm: Jana Findeklee, Joki Tewes, Video: Chris Condek, Komposition und Sounddesign: Christop Clöser, Licht: Gerrit Jurda, Dramaturgie: Constanze Kargl

Mit Liliane Amuat, Benito Bause, Sibylle Canonica, Carolin Conrad, Christoph Franken Nicola Kirsch, Hans Könnecke, Thomas Lettow, Florian von Manteuffel, Max Mayer, Johannes Nussbaum, Lukas Rüppl, Hanna Scheibe, Cathrin Störmer, Philipp Weiß