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München – „Bevor ich es verberge“ – nach dem Roman von Anne Pauly inszeniert und gespielt von Wiebke Puls

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München – „Bevor ich es verberge“ – nach dem Roman von Anne Pauly inszeniert und gespielt von Wiebke Puls

©Kammerspiele München, Foto: Armin Smailovic

Mit drei Beinen sitzt Wiebke Puls auf der Bühne, während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen. Dann schnallt sie ein Bein ab und schiebt es in den Küchenschrank, in dem…

der tote Vater seine Habseligkeiten verräumt hat, die Wiebke Puls als Tochter wieder zum Vorschein holt. Es duftet nach Vater. Vom Scheinwerferlicht geblendet, beginnt sie sich zu erinnern, überlagert von hektischem Verkehrslärm, alten Schlagern, sentimentaler Akkordeonmusik, immer wieder eingehüllt von sepiafarbenen Stimmungen der Vergangenheit. 

Zwei Stunden lang holt Puls triviale und tiefergründige  Erinnerungsstücke aus dem Schrank, wie den Totenkopf im Ranzen als Symbol von Sein und Haben und verräumt sie wieder. Durch eine Schublade lässt sie Licht herein und verdunkelt es mit einer Minijalousie, organisiert die Beerdigung und puzzelt dabei von einer Erinnerung in die nächste stolpernd das Bild von ihrem Vater zusammen, der sehr viel mehr Facetten zu haben schien, als sie als Tochter wahrnehmen konnte. 

Anne Paulys autofiktionalem Roman entlang, dramatisierte Wiebke Puls „Bevor ich es verberge“ für ein Hörspiel und jetzt für die Bühne. Für Pauly war der Roman eine Lebenswende. Statt fremde Texte für eine Modezeitschrift zu redigieren, wollte sie selbst schreiben. Der Tod des Vaters gab den Anstoß, diesen Wunsch zu realisieren. Pauly schildert, wie der Tod das Leben verkürzt, geht aber noch einen Schritt weiter, indem sie versucht dem zweiten Tod, dem Vergessen, entgegenzuwirken. 

Puls fokussiert auf die Hauptfigur, lässt erzählerische Nebenstränge, gesellschaftliche Bezüge weg und verdichtet viereinhalb Stunden Lesezeit auf zwei Bühnenstunden persönlichen Erlebens. Über die akustischen Mittel des Hörspiels gewinnt der Monolog atmosphärische Spannung. Die Tochter ringt mit den ambivalenten Erinnerungen, dem Wechselbad ihrer Gefühle zwischen lieben Kindheitserinnerungen, alltäglichen Querelen und der Mühsal der Krankenpflege. Versöhnung findet sie erst durch die überaus wertschätzende Darstellung des Vaters durch seine Jugendliebe.

Puls will ihre Inszenierung laut Programmbroschüre „weniger als Trauerarbeit, denn als Herkunftsforschung“ verstehen, was sich auf der Bühne so nicht vermittelt. Zu sehr ist sie mit den Dingen beschäftigt. Das ständige Hervorholen und Wegräumen bleibt an der Oberfläche, belustigt durch Requisteneffekte mehr als durch schauspielerische Tiefe. Verkleidungsszenen wirken aufgesetzt. Der varietéartige Schluss mit einem Song, über „die Wurzeln finden und die Vergangenheit bewahren“ hebt Puls’ Anliegen plakativ hervor. Unterm Regenschirm mit einem Riesenfächer und einem finalen „Papapapa…“ erscheint das Finale allzu oberflächlich. 

Das Publikum ist begeistert. Den Applaus teilt Puls bescheiden mit einem Dutzend Mitarbeitern hinter den Kulissen.

Wiebke Puls ist seit 20 Jahren renommiertes Mitglied der Münchner Kammerspiele.Darüber hinaus hat sie sich als Regisseurin, Sängerin, Sprecherin, nicht zuletzt durch Film- und Fernsehproduktionen ein nachgefragtes Talent erarbeitet.