Landshut – „John Gabriel Borkman“ als Live-Stream in den Landshuter Kammerspielen

Ibsens "John Gabriel Borkman" in den Kammerspielen Landshut präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Kammerspiele Landshut, Raimund Hackl

Ibsens Stück „John Gabriel Borkman“ kreist um die Ansprüche der Menschen, ihre Egozentrik. Psychopathen sind sie alle. Schuld sind immer die anderen, allen voran bei Gunhild. „Oh, diese drückende Schmach! Wenn man nur bedenkt, was seinerzeit der Name John Gabriel Borkman bedeutet hat.“ Nach dem Gefängnis lebt Borkman in der selbst gewählten Isolierung. Seit acht Jahren hört Gunhild Tag und Nacht seine Schritt über sich. Als er sein Exil verlässt, offenbart sich die noch größere Misere. Um Bankdirektor zu werden gab Borkman seine Liebe zu Ella auf und heiratete aus Kalkül die Schwester. Jetzt bricht auch für Ella eine Welt zusammen. Sie fühlt sich um die Liebe und das Mutterglück betrogen, hat aber im Gegensatz zu Gunhild, die ihren Sohn klammert, damit er die Familienehre aufpoliert, die Größe ihren Neffen in die Freiheit mit seiner Geliebten zu entlassen. 

Unter der Regie von Sven Grunert entwickeln sich in spannenden Dialogen Schritt für Schritt die Untiefen dieser desolaten Familienkonstellation, die seit ihrer Bühnenpremiere 2011 nichts von ihrer Energie verloren hat und durch die Perspektivwechsel via Kameras und entsprechende Schnitttechnik zusätzlich an Dynamik gewinnt. 

Julia Jaschkes Gunhild wirkt sehr jung und schrill, mehr trotziges Kind als zutiefst leidende Frau, zuweilen, die blonden Strähnen wirr über das Gesicht hängend, wie eine Megäre. Selbstverliebt in ihr Leid und machtbesessen in Bezug auf ihren Sohn wird sie zur Hysterikerin. „Du kriegst ihn nicht. Er ist mein Sohn.“ Dagegen wirkt Ella sehr souverän. Maria Hengge gibt ihr die Würde einer reifen Frau, die mit ihrem Leid umgehen kann, noch im Schmerz des Verletztseins die Liebe spürt. 

Ibsens "John Gabriel Borkman" in den Kammerspielen Landshut präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Kammerspiele Landshut, Raimund Hackl

Zentrum der Inszenierung, durch den  Zoom der Kamera noch verstärkt, ist stückadäquat John Gabriel Borkman. Andreas Sigrist zeichnet ihn durch Sprache und Mimik auf den ersten Blick psychopathisch entrückt, auf den zweiten menschlich gebrochen. Längst hat er die Bodenhaftung verloren. Im ständigen Gedankenspiel, seine Lage aus der Sicht des Angeklagten, Schuldigen und Staatsanwaltes bespiegelnd, zieht er zwar sein Resümee als Freispruch, „ich liebte die Macht, um andere glücklich zu machen,“ doch immer stärker lässt Sigrist Borkmans latentes Leiden aufleuchten. Sein Blick in die Ferne verweist auf den Tod. Er geht hinaus in die Nacht, zieht sich aus und stellt sich der Kälte. Ella folgt ihm. Sie bettet den Nackten auf ihren Schoß. Mit diesem Bild der Pietà gelingt Regisseur Sven Grunert ein eindringliches und versöhnliches Schlussbild. 

Hinter der Bühne: Sven Grunert (Regie) Hans Stürmer (Bühnenbild), Hagen Wiel (Kamera), Sven Grunert, Ganna Madiar, Hagen Wiel, Philipp Degünther (filmische Neubearbeitung) 

Auf der Bühne: Minka-Marie Heiss, Maria Hengge, Sebastian Hofmüller, Julia Jaschke, Stefan Lehnen, Nathalie Schott, Andreas Sigrist, Cornelia von Fürstenberg