Landshut – Dörte Hansens „Altes Land“ in einer Produktion der Theaterei Herrlingen in den Landshuter Kammerspielen

Dörte Hansens "Altes Land" präsentiert als Theaterkritik von www.schabel-kultur-blog.de

©Andreas Zauner

Ein Jahr lang hat sich Regisseurin Edith Ehrhardt, Intendantin der privaten Theaterei Herrlingen mit dem Roman „Altes Land“ auseinandergesetzt. Als einzige bekam sie von Dörte Hansen die Aufführungsrechte, weil sie sich bereit erklärte den Text überhaupt nicht zu verändern, nur auf zweieinhalb Stunden Spielzeit einzukürzen. Überaus sorgsam castete Edith Ehrhardt die drei  Schauspielerinnen, die durch ihre unterschiedliche Aura und ihre vielen Darstellungsfacetten vortrefflich zusammenpassen und deshalb gleichzeitig in mehreren Rollen bestechen. Vom greinenden Kleinkind über die feine Dame bis zum Tattergreis brilliert Ursula Berlinghof als schauspielerisches Feuerwerk und Kraftzentrum. Lisa Wildmann zeichnet ihre Rollen bewusst subtiler, distanzierter  bis zur psychischen  Erstarrung.  Agnes Decker gibt den Figuren einen jugendlichen Schmiss.

Dörte Hansens "Altes Land" präsentiert als Theaterkritik von www.schabel-kultur-blog.de

©Andreas Zauner

Die  kurzen Szenen, den Romankapiteln genau folgend, fügen sich zur verschlungenen Familiencollage, aus denen sich die tragischen Schicksale der Familienmitglieder empathisch zwischen Verinnerlichung und Rebellion, verzweifelten Innenansichten und satirischer Außenansicht Schritt für Schritt entwickeln, wobei Dörte Hansens wunderbar präzis originelle Formulierungen bestens zur Wirkung kommen. 

Die Inszenierung, eine reine Frauenproduktion, trifft mitten ins Schwarze. Bereits 45 Mal aufgeführt  hat sie nichts von ihrer Eindringlichkeit verloren, vielmehr an spielerischer Intensität gewonnen. Zwischen  ständig wechselndem Erzählmodus und extrem schnellem Rollentausch gewinnt Dörte Hansens Roman eine ungewöhnliche Plastizität und sprachliche Dynamik. Ihr finales Sprachbild von der Vereisung der Apfelblüten als Kälteschutz wird von Beginn an  zum roten Faden der feinfühligen Personenregie. 

Es ist  Krieg. Als Altbäurin Ida Eckhoff in sechster Generation die stolze Hildegard von Kamcke mit einem über 300-jährigen ostpreußischen Stammbaum im Rücken mit  ihrer 5-jährigen Tochter Vera als Flüchtlinge zugewiesen werden,   beginnt der private Krieg durch Ausgrenzung und Selbstschutz, Kriegs- und Talenttraumata. Hildegard verlässt den Hof und ihr Kind Vera, hat mit einem anderen Mann eine zweite Tochter, Marlene. Die heranwachsende Vera weiß davon nichts,  heiratet Idas Sohn Karl, der traumatisiert aus dem Krieg heimkehrt. Ida  bringt sich um, als Vera das Regiment im Haus übernimmt. Vera wird Zahnärztin im Dorf. Nach vielen treuen Jahren erlöst Vera ihren Karl von seinen Traumata durch ein Schlafmittel und vereist selbst immer mehr. Erst als ihre Nichte Anne, vom eigenen Bruder als Musiktalent überrundet, aus Frustration Schreinerin geworden, dann Mutter, vom Mann betrogen  mit ihrem Kind bei Vera auf den Hof Zuflucht sucht, beginnt Tauwetter und das Haus hört auf zu stöhnen (Sound Julia Klomfaß).

Das ist eine Inszenierung die Lust auf Literatur macht und weitere Gastproduktionen.