Landshut – „Die Narretei der Liebe“ – eine Begegnung von Stefan Zweig und Maurice Ravel 

"Narretei der Liebe" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Michaela Schabel

Nur kurz im Landestheater Niederbayern als Benefiz-Abend auf dem Spielplan präsentieren Paula-Maria Kirschner und Elias Haslauer „Narretei der Liebe“ nun in Eigenregie. Eine kleine Bühne genügt. Einen Flügel braucht es allerdings schon, um Ravels extrem rasante Kompositionen zur Wirkung zu bringen. Das gelingt Elias Haslauer vortrefflich. Unaufgeregt ruhig, konzentriert spielt er ohne großes Pathos, um Ravels Musikzyklus „Miroirs“ (1905), ein Schlüsselwerk des französischen Impressionismus, adäquaten Raum zu geben. 

Unter der Regie von Paula-Maria Kirschner alternieren Musik und Text, wodurch beides für sich zu hören ein Erlebnis ist, in dem Töne und Sprache sich spiegeln, als wären Text und Musik ursprünglich füreinander gedacht.

Die Musik gibt jeweils die Stimmung für Rahels großen Monolog vor, in dem Rahel ihre Liebe zu Jakob gesteht und Gott zürnt, weil sie sieben Jahre lang vergeblich auf die Hochzeit wartete, denn der Vater verheiratete nach alter Sitte die ältere, hässliche Tochter Lea mit Jakob. Dabei verdüstert sich „Noctuelles (Nachtfalter)“ zu „Oiseaux tristes (Traurige Vögel)“. Wie „Une barque sur l´océan (Eine Barke auf dem Ozean)“ hadert Rahel mit sich und Gott, schutzlos und doch wehrhaft. Gehüllt in eine transparente Tunika vor rotem Vorhang ist Paula-Maria-Kirschner  tugendsame Frau, in der das Feuer der Liebe lodert und Erinnye gleichermaßen, tritt sie aus diesem Bannkreis heraus. Klar und wuchtig, mit expressiver Mimik und weit ausholender Gestik bringt Paula-Maria Kirschner Stefan Zweigs Text im richtigen Augenblick in Schwingung, retardiert elegisch, pausiert „Gott aber schwieg“, flüstert, beschleunigt eruptiv, wühlt die Sprachdynamik auf, die dunklen Vokale betonend und rhythmisiert, authentisch nachvollziehbar den Herzschlag von Rahels fatalistischem Elend. Paula-Maria Kirschner bleibt ganz nahe am Text, findet, tief ergriffen von dieser Figur, im humanistischen Erbarmen für die Schwester den Weg aus der Dunkelheit in das „Alborada del gracioso (Morgenlied des Narren)“.

Bei der Hochzeit statt im Ehegemach in den Speicher verwiesen, wird Rahel nach sieben weiteren Jahren endlich Jakobs zweite Frau. Es eröffnet sich „La vallée des cloches (Das Tal der Glocken)“. 

Nach schäumender, wild bewegter Vehemenz, hellen Tonwogen, geerdet durch bedrohliche Akkorde und klare Einzeltöne lässt Elias Haslauer in ruhigeren Tempi tonal harmonische Lichtsphären erstrahlen analog dem Spektrum der Weltschöpfung vom ersten bis zum siebten Tag. 

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©Michaela Schabel

Stefan Zweigs Botschaft über die Figur Rahels ist 1927 noch optimistisch. „Das Elend im eigenen Herzen verschwindet, wenn man das Leid des anderen in sich spürt.“ Doch was erzählt diese Geschichte über Jahrhunderte hinweg über die gesellschaftliche Rolle der Frau? Dieses Narrativ zu reflektieren gibt der „Narretei der Liebe“ noch eine ganze andere Dimension.