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Landshut – „Der Untergang des Hauses Usher“ als surrealer Traum

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Landshut – „Der Untergang des Hauses Usher“ als surrealer Traum

©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai

Als Theaterort wählt er den historischen Landshuter Salzstadel, dem er durch große Stoffbahnen die Weite eines surrealen Traumes gibt. Vor den Rundbögen, die Bühne ganz in Weiß gehalten mit unauffällig eingeschnittener Türe über einer kleinen Treppe, ein schwarzer Stuhl mächtig wie ein Thron entführt schon die Optik in die seelischen Abgründe, wo Außen- und Innenwelten verwischen. 

Edgar Allan Poe hatte in seiner Jugend die Welt des Adels in England und Schottland kennengelernt, seine Liebe für deren Tradition und Schattenseiten entdeckt, die ihm spannende Motive für seine Geschichten boten. Aus der Perspektive eines Freundes, William, nähert sich Edgar Allan Poe dem  „Untergang des Hauses Usher“, das am Schluss über dem toten Zwillingspaar, den letzten Nachfahren, zusammenbricht und versinkt.

Peter Oberdorf verwandelt den Text  in seinem „Schauspiel-Projekt“ gekonnt in eine farbsymbolische Traumkonzeption in Schwarz-Weiß-Polarisierung zwischen Leben und Tod. Er folgt Edgar Allan Poes Geschichte, verdichtet sie durch romantische und expressionistische Gedichte von Novalis und Georg Trakl und fokussiert auf das extrem elitäre Standesbewusstsein, das das Geschwisterpaar in seiner inzestuösen Begierde magnetisch verbindet. Die völlige Abschottung von der Gesellschaft und das Wissen die letzten Nachfahren zu sein führt zu einer psychotischen Stilisierung des Todes als Befreiungsakt. Paula-Maria Kirschners Madeline, ganz in voluminösem Weiß, ist nicht nur die Braut ihres Bruders, sondern gleichsam die Braut des Todes. Die weißen Stofffluten, durch die sie sich in großen Bewegungen in skulpturaler Pathetik positioniert, lassen sie bereits wie ein Wesen nicht mehr von dieser Welt erscheinen. Die irren Stimmen ihres Inneren extrem exaltiert intoniert sind nichts anderes als Ausdruck von Himmel und Hölle. Projektionen tauchen die Szenerie in leidenschaftliches und höllisches Rot, nächtlich kühles Blaulila und spätherbstliche Trauerstimmung. Bruder Roderick, Joachim Vollrath interpretiert ihn in Frack und schwarzer Lederhose, oft versteckt hinter den blonden langen Haaren als gebrochenen Jüngling, verharrt lebend schon in Totenstarre. Dissonant schrill klingt seine Geige.

Theaterkriitk "Der Untergang des Hauses Usher" im Landestheater Niederbayern präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Landestheater Niederbayern, Peter Litvai

Der Clou ist die Live-Musik von Pianist Elias Haslauer. Er emotionalisiert mit Stücken von Beethoven, Scriabin, Liszt und Schubert  den psychischen Untergang des Hauses Usher zwischen Romantik, exzessivem Rausch, gläubiger Andacht und melancholischer Todessehnsucht. Wenn Friederike Baldin als Krankenschwester Inkarnation resoluter Entschlossenheit mit klar artikulierter Ansage das Lied der Krähe aus Schuberts „Winterreise“ a capella singt, ihre Stimme vor Trauer brüchig wirkt, kulminiert die Inszenierung in ihrer artifiziellen Surrealität in existenzieller Leiderfahrung. Einsam will sie nicht zurückbleiben. Auch sie ist vom Todesvirus der Zeitenwende befallen.

Dazu passt die expressive Krähe, getanzt von Isabella Könsgen, die das Geschehen immer wieder in gleichen Bewegungen umkreist und in Anspielung auf Schuberts „Winterreise“ zum Todesboten wird. Noch einmal hebt sie das Gefieder als Ausdruck sinnlicher Begierde etwas höher, bevor sie schließlich ihre Flügel über allem ausbreitet.

Wie William (Paul Behrens), Rodericks Freund, erleben die Zuschauer aus der Distanz von außen diese dramatisiert verfremdete und pathetisch aufgeladene Geschichte innerer Prozesse. William erschließt sich der Sinn nicht, dem Zuschauer durch diese bild- und tonkräftige Inszenierung durchaus, wenn er statt nach individuellen nach gesellschaftlichen Parallelen in der Gegenwart sucht. 

Künstlerisches Team: Peter Oberdorf (Regie, Kostüme, Dramaturgie), Uwe S. Niesig (Bühne, Licht), Elias Haslauer (Musikalische Einstudierung, Klavier) Isabella Könsgen (Choreografie) 

Besetzung: Joachim Vollrath (Roderick Usher), Paula-Maria Kirschner (Madeline), Paul Behrens (William), Friederike Baldin (Krankenschwester), Isabella Könsgen (Krähe)