Berlinale – Sektion Wettbewerb – João Canijos „Mal Viver“ enttäuscht

Filmkritik "Mal Viver" Berlinale präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Midas Filmes

Das Geheimnis zu ergründen umkreist João Canijos „Mal Viver“ in atmosphärischen Kontrasten. Die Hotelanlage, 1960er Baustil, hat seine besten Jahre hinter sich. Altmodisch wirken die Tapetenmuster. Doch das Interieur in Braun und dunkelroten Farbtönen schafft im Schein der Tischlampen ein gemütliches Ambiente. Umso kälter wirken die menschlichen Beziehungen, die die Frauen nur ganz langsam formulieren können, belauscht an den Türen verschieben sich die Akzente zwischen Ursache und Wirkung, tauchen Motive auf und verschwinden sofort wieder wie Gedankensplitter. Jaimes „Vater war anscheinend ein sehr schöner Mann, ein Prinz.“ Mehr erfährt man nicht. Berührungen und Umarmungen sind eine Seltenheit in diesem Kammerspiel der Tristesse. Jaime und ihre Mutter schwimmen stur ihre Bahnen, sonnen sich diametral gegenüber am Rand des Swimmingpools Mütter können ihre Töchter nicht lieben und die Töchter nicht ihre Mütter, flankiert von den beiden Angestellten, die sich um ihren Arbeitsplatz, der schon zur Heimat geworden ist, sorgen. Diese an sich interessante Ambivalenz wird von den Schauspielerinnen authentisch in Szene gesetzt, doch das Drehbuch ist zu dünn. Die fragmentierten Perspektivwechsel anstelle erzählerischer Dichte sind zu dürftig. Wie die Psychose von Jaimes Mutter, die immer eine sein sollte, die sie nicht war, zieht sich der Film in die Länge. Der Verkauf des Hotels ist keine Lösung, nur eine Metapher der desaströsen Gefühlswelten dieser drei Frauen. „Mal viver“ ist ein durch und durch depressiv elegischer Film, so wie das Leben eben auch sein kann. Dafür muss man nicht ins Kino gehen. Diesen Film mit dem Silbernen Bären auszuzeichnen ist schwer nachvollziehbar, wie überhaupt in diesem Jahr bei der Berlinale manches ins Rutschen geraten ist. Dazu folgt noch ein eigenes Resümee. 

Künstlerisches Team: Joâo Canijo (Drehbuch, Regie), Leonor Teles (Kamera), Silvia Siopa (Kostüme), Elsa Ferreira (Sound), Joâo Braz (Schnitt), Inês Garcia Marques (Regieassistenz)

Besetzung: Anabela Moreira (Piedade), Rita Blanco (Sara), Madalena Almeida (Salomé), Cleia Almeida (Raquel), Vera Barreto (Ângela)