Landestheater Niederbayern – „Willkommen bei den Hartmanns“ statt Komödie eine Groteske

©Peter Litvai/Landestheater Niederbayern

Die riesengroße Angst vor dem Islam rückt er gleich zu Beginn in Gestalt überdimensionierter schwarzer Burka-Geister, wie Monolithe auf der Bühne positioniert, ins Zentrum, untermalt mit einem gefälligen Soundmix, in dem sich  orientalische  Rhythmen immer wieder kurz vordrängen.

Was im Film durch Tempo, Münchner Sommeratmosphäre und markante Physiognomie im Großformat spielerisch leicht funktioniert, baut sich in der Landshuter Version im Theaterzelt in erster Linie über das Bühnenbild mit in Frage stellenden Perspektiven auf. Der Blick führt über eine große Rasenfläche durch eine Glasfront über weiße Gartenstühle direkt auf das weite Meer, wo Flüchtlingsboote die befreiende Urlaubsatmosphäre durchkreuzen, SMS-Nachrichten aufleuchten, beklemmende Angstträume, halluzinogene Träume und  Clubszene-Atmosphäre alternierend aufflimmern.

Angelika Hartmann, unterbeschäftige Ehefrau  eines Kniespezialisten mit zwei erwachsenen Kindern und einem pubertären Enkel will Gutes tun, spendet Kleider für Flüchtlinge, trifft dabei Heike, eine ausgeflippte Tanztherapeutin, die sich um Flüchtlinge kümmert und für deren Aufnahme in deutsche Familien wirbt. So kommt Diallo. Flüchtling aus Nigeria zu den Hartmanns. Zwei Welten prallen aufeinander, die Vereinsamung und Egozentrik einer deutschen Wohlstandsfamilie, die Probleme mit Alkohol  kompensiert oder wegoperieren lässt,  wird konfrontiert mit moslemischer Familienkultur, was ständig zu Irritationen führt.

Markus Bartl verzichtet auf Tempo und witzige Wiederholungsknaller, bohrt in die Tiefe und will mit neuen originellen Details irritieren. Ganz unerwartet  versetzt er das Publikum in die Situation der Flüchtlinge, aus denen die Hartmanns einen auswählen. Zwei Palmen künden vom Ferienparadies, das es so nicht mehr gibt. Bedrohlich wie eine Rakete steht das  Vogelhäuschen, von Diallo, einem  geschickten Schreiner, repariert und mit Minarett-Aufsatz versehen am Rande des Geschehens. Die Nachbarn fühlen sich provoziert. Doch die Hartmanns sind in ihrem Glaspalast geschützt. Sie sehen die Probleme, wollen helfen, sind  aber in erster Linie mit den eigenen  Psychosen beschäftigt, aus der Perspektive Diallos ein kaum nachvollziehbares Durcheinander. Wer hilf hier wen? Dialoo passt sich an, wird in Lederhose und rotkariertem Hemd zur Integrationsparodie, durch seine natürliche Sensibilität zum Coach geschickter Familienzusammenführung.
Doch das Spiel an sich bleibt dröge, schulmeisterlich ausgestellt.

©Peter Litvai/Landestheater Niederbayern

Nur selten zünden die Dialoge durch Situationswitz. So oszilliert die Inszenierung zwischen großartig optischen Effekten, wenig überzeugender schauspielerischer Exzentrik und flacher Dialogstruktur. Nach   langatmigem Einstieg gewinnt die Inszenierung erst nach der Pause an Fahrt.
Mit großem Engagement mit dabei sind Quatis Tarkington als Diallo, der mit einem Hüftschwung  die schrille Tanztherapeutin Heike (Paula-Maria Kirschner) trotz Zwischenapplaus aussticht, Julian Niedermeier (gestresster Managersohn), Ella Schulz (beratungsresistente Tochter), Antonia Reidel (schrille Mutter), Olaf Schürmann (Ehemann in der Midlife-Crisis) und Julian Ricker (als Arztkollege und Schwiegersohnkandidat).