Berliner Theatertreffen – Schillers „Maria Stuart“ in einer Inszenierung von Anne Lenk im Deutschen Theater Berlin

Theaterkritik "Maria Stuart" beim Berliner Theatertreffen präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Deutsches Theater Berlin, Arno Declair

Im Zentrum stehen nacheinander die Königinnen, rundherum positioniert die Männer als opportunistische Handlanger, junge Aufsteigertypen. Anschuldigungen und Verteidigungen machen durch die Wände ihre Runde. 

Rollen spielen sie alle. Maria Stuart verwandelt sich mit Franziska Machens in eine gewöhnungsbedürftig exzentrische Mischung zwischen Märchenfee, Barbiepuppe und Influencerin. Jede demütige Geste ist nur Vorwand. Erreicht sie nicht, was sie will, brennt ihr die Sicherung durch, kulminiert die egomanische Heroisierung ins Gigantische. Unter einer mildtätigen Maske verzwergt am Schluss ihr Körper. Nein, diesen Frauentyp kann man nicht ernst nehmen.

Genauso wenig ist Maria glaubwürdig. Wie eine Marionette spielt Julia Windischbauer die Königin von England, von Anfang an mit einer Maske so stilisiert perfekt, dass man nur an den Beinbewegungen merkt, dass darunter tatsächlich ein Mensch agiert. Sie verkörpert eine knallharte Karrierefrau mit raffiniert intrigantem Management. Für sie sind alle anderen Untertanen, Schachfiguren, die sie geschickt positioniert und alle Männer „Lüstlinge“.

Zum großen Schlagabtausch, einem Zickenkrieg zwischen heldischer Barbiepuppe contra selbstoptimierte Karrierelady, wird der Streit der Königinnen, eine der wenigen Szenen zu zweit in einer Box.

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©Deutsches Theater Berlin, Arno Declair

Frontal sprechend, durch die Close-ups ganz nah erlebt der Zuschauer genau die Schattierungen zwischen Rollenspiel und den dahinter aufleuchtenden niederträchtigen Ambitionen infolge verletzter Eitelkeit und Machtgier, wodurch jeder noch so hehre Satz als leere Worthülse ironisch ausgehebelt wird. 

Der Fokus ganz auf das gesprochene Wort, überaus präzise und rhythmisiert artikuliert, gewinnt Schillers Sprache und Gedankenwelt eine faszinierende, überaus aktuelle Qualität, in der jedes Ensemblemitglied durch stilisierte Brillanz überzeugt. 

Diese nachhaltige, sehr einprägsame Inszenierung sollte man sich nicht entgehen lassen. Über das 3sat-Medienarchiv ist Anne Lenk „Maria Stuart“ während des Berliner Theatertreffens zu sehen. 

Künstlerisches Team: Anne Lenk (Regie), Judith Oswald (Bühne),  Sibylle Wallum (Kostüme), Camill Jammal (Musik), Cornelia Gloth (Licht), David Heiligers (Dramaturgie)

Mit: Julia Windischbauer, Franziska Machens, Enno Trebs, Alexander Khuon, Jörg Pose, Paul Grill, Jeremy Mockridge, Caner Sunar