Berlin – „Moskoviáda“ und „Radio Nacht“ – zwei Romane des ukrainischen Erfolgsautors Jurji Andruchowytsch als politisches Statement im Berliner Ensemble

© Patrik Borecký

Verkatert wacht Otto von F., Literaturstudent aus der West-Ukraine,1991 in Moskau im Wohnheim des Gorki-Instituts auf. Er fühlt sich unwohl in diesem tristen Hochbau, der nachts wie ein Gefängnis zugesperrt wird. Alkohol wird über die Feuertreppe besorgt. Auf seiner fantastischen Reise durch das Monster Moskau trifft Otto von F. neben seinem Freund, beide mit riesigen Pelzmützen als parodistisches Gegensymbol zum Westernhut des Kapitalismus auf die unterschiedlichsten Menschen und Typen. „Das Unglück des Imperiums ist, dass es so unterschiedlich ist.“ Otto von F. landet schließlich im Moskauer Kaufhaus „Kinderwelt“ und gerät in die Hände des Geheimdienstes, der in den Katakomben unter dem Kreml ein Heer von Ratten züchtet. Dabei werden die Holzlatten der Bühne krachend abgebaut, die Schattenprojektionen immer größer, die Chance zurück in die ukrainische Heimat zu kommen immer fraglicher und die Assoziationen zur Gegenwart immer intensiver. 

„Moskoviáda“ wirkt aus der Perspektive von heute wie eine Vorgeschichte. Durch den Zerfall des Sowjetimperiums fühlten sich viele Menschen am Rande des Abgrunds. Dieses Gefühl wurde zum Nährboden der Verklärung der sowjetischen Epoche und ließ ein neoautoritäres Russland aufkeimen. Über skurrile Szenen, groteske Übertreibungen und klare Anspielungen auf die derzeitigen politischen Machtkämpfe wirkt das Stück, kurz vor der Wende geschrieben, brandaktuell. Warum nicht einfach die Ethnien austauschen. „Es bleibt die Hoffnung bis morgen zu überleben“. Licht aus. 

Künstlerisches Team: Dušan David Pařízek (Regie)

Mit: Gabriala Míčová, Stanislav Majer, Václav Marhold, Martin Pechlát

Jurji Andruchowytsch "Radio Nacht" präsentier von www.schabel-kultur-blog.de

„Radio Nacht“ von Jurji Andruchowytsch©Michaela Schabel

Seinen neuesten Roman „Radio Nacht“ präsentierte Jurji Andruchowytsch im Berliner Ensemble im Anschluss selbst als musikalisches Hörspiel. Ein Aggressor streunt nachts durch die Straßen und schildert seine Erlebnisse. Durch Schlagzeuge, E-Gitarren und Saxophon entwickelt sich der Text von einer kafkaesken Lebenssituation in eine fetzige Jam-Session, wobei allerdings das Textverständnis immer wieder durch die akustischen Überlagerungen verlorengeht und die dagegen stimmlich markant hörbar variierte Refrainstruktur über die Beziehung von Gott und Teufel zu pathetisch wirkt. Die final  projizierte Plakatbotschaft war umso deutlicher „Stoppt den Krieg!“