Berlin – Ibsens „Hedda“ als Farce in Queeroptik im Berliner Ensemble

Theaterkritik "Hedda" am Berliner Ensemble präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

© Moritz Haase

Anders will Heiki Riipinens Inszenierung sein, der innerhalb des internationalen WORX-Programms für junge Regisseure als Artist of Residenz im Berliner Ensemble zwei Premieren mit inhaltlicher und formaler Freiheit realisieren kann. Nach seiner „Insomnia“-Performance von 22 Uhr bis vier Uhr morgens mit Figuren aus der Weltliteratur versucht der finnisch-norwegische Nachwuchsregisseur in seiner zweiten Premiere durch Transformation ein klassisches Stück, Ibsens „Hedda Gabler“, neu aufzuladen, was nur optisch gelingt. 

Das Theater beginnt schon im Foyer. Nina Bruns und Max Gindorff als Dienstboten empfangen die Gäste schweigend die Hände vorzeigend, zun das Publikum zu motivieren, dies ebenso zu tun als Zeichen der Unschuld à la Pontius Pilatus. Dann geht es im Gänsemarsch über den Seiteneingang zur Werkbühne direkt zum Tatort ins Wohnzimmer der Villa Tesman, wo Heddas Leiche liegt. Vom Ende her wird der Fall „Hedda Gabler“ aufgerollt. Die Möbel werden von den Schutzlaken enthüllt. Von den Zuschauern in zwei langen Reihen entlang der Bühne ganz nah erlebt entfaltet sich ein groteskes Spiel, untermalt mit Guter-Laune-Musik. Durch witzige Kostüme, bizarre Perücken, symbolische Lidschatten, crossgender Besetzung in den Nebenrollen und eine extrem ausgestellte, hibbelige Spielweise wird jeglicher Naturalismus verweigert. Das hat Drive, führt weg vom Emotionalen hin zur analytischen Betrachtung jeder einzelnen Figur in ihrem Bezug zur Macht. Hedda glaubt die Zügel in der Hand zu haben, über ihren Mann sowieso, aber auch über ihren ehemaligen Geliebten Løfborg,  nach dem sie sich immer noch sehnt, weshalb sie auch die naive Thea dominiert, eine alte Schulfreundin, jetzt Ehefrau des Landrats, die längst viel mehr als Løfborgs „Kameradin“ beim gemeinsamen Bücherschreiben ihre Zukunft mit ihm plant. Heiki Riipinens Hedda wandelt sich von der gelangweilten Frau in eine egomanische, machtsüchtige Intrigantin, die aus Frustration einer unerfüllten Liebe ihr Umfeld wie ein Marionettenspiel manipuliert. Løfberg drängt sie ins gesellschaftliche Aus, so dass ihm nur der Selbstmord bleibt. Doch Heddas Macht stößt schnell an ihre Grenzen. als sie die Macht des Richters spürt. Sein Ultimatum ist deutlich, Hedda als Geliebte oder Skandal durch die Offenlegung der Hintergründe, warum sich Løfborgs erschossen hat. So bleibt ihr der Selbstmord als einziger Befreiungsakt ihr Leben selbst zu gestalten. Ein herbes Frauenschicksal, das Heiki Riipinen durch die Schablonisierung der Figuren an die Wand fährt, weil unter der karikierenden Oberfläche keinerlei neue Gedanken auftauchen.

Künstlerisches Team: Heiki Riipinen (Regie), Ingrid Tønder (Kostüme), Neda Sanai (Musik), Robert Matysiak (Licht), Daniel Grünauer (Dramaturgie)

Mit: Pauline Knof (Hedda Tesman), Marc Oliver Schulze (Jørchen Tesman), Max Gindorff (Thea Elvsted), Nina Bruns (Richter Brack) Paul Zichner (Ejlert Løvborg)