CD-Besprechung – Aurel Dawidiuk B-A-C-H „Hommage à…“ – Expression zwischen Erde und Himmel 

CD-Kritik-Aurel Dawiduik, Orgel B_A_C_H_ "Hommage à..." präsentier von www.schabel-kultur-blog.de

©2023, Deutscher Musikrat, Deutschlandradio + Genuin

Aurel Dawidiuk gehört zu den Siegern des Deutschen Musikwettbewerbs 2022, ein Preis, der vor 21 Jahren das letzte Mal an einen Orgelinterpreten vergeben wurde. Den Gewinnern stehen durch die Aufnahme einer CD und ein vernetztes Netz von Konzerten Tür und Tor offen für eine außerordentliche Karriere. Als Organist, Pianist und Dirigent gilt Aurel Dawidiuk als einer der vielseitigsten jungen Musiker seiner Generation. Mit seiner Debüt-CD   B-A-C-H „Hommage à…“, gespielt auf seiner Lieblingsorgel, der Metzler-Klahre-Orgel im Stadthaus Basel, beweist er sein technisches und interpretatorisches Können auf höchstem Niveau. Das exzellente Programm dieser Debüt-CD avanciert zu einer doppelten Hommage an Bach, zum einem durch die nachfolgenden Komponisten und zum anderen durch Aurel Dawidiuks kraftvolle und spannungsreiche Interpretationen.

Mit der „Fantasia et Fuga g-Moll“, BWV 542  (1720) von Johann Sebastian Bach (1685-1750) signalisiert Aurel Dawidiuk gleich zu Beginn höchstes Qualitätsniveau. Die komplexe Komposition gewinnt unter seinen Händen eine ungewöhnliche Transparenz, in der das freie Improvisieren wunderbar mit Bachs Kontrapunktorik kontrastiert, allegorisch menschliches Agieren in den Grenzen göttlicher Regeln hörbar wird und irdische Schwere und himmlische Freiheit assoziieren lässt. Dabei verdichtet er das spannende Wechselspiel in der „Fantasia“ in den tiefen Registern monumental als Ausdruck apokalyptischen Zeitgeists. Umso fröhlicher, heiter beschwingt wirkt die „Fuge“, deren Höhenflug die tiefen Töne folgen und in rhythmischer Schnelligkeit, durch das beständige Vorwärtsdrängen ihre Düsternis verlieren, dafür eine tänzerische Leichtigkeit und endorphinisierende Stimmung entwickeln.

Programmtechnisch klug konzipiert spielt Aurel Dawidiuk anschließend die Komposition eines Schülers von Bach. Die kurze „Fuge über den Namen Bach“, Krebs-WV 434 (1846) von Johann Ludwig Krebs (1713-1870) gleichsam eine Hommage an Bach, von Aurel Dawidiuk sehr getragen und ernsthaft interpretiert, macht dennoch die Unterschiede zwischen Meister und Schüler deutlich. 

Umso temperamentvoller und virtuoser wirkt im Anschluss die Komposition „Präludium und Fuge über B-A-C-H“, S. 260/2 (1869/70) von Franz Liszt (1811-1886), in dem Aurel Dawidiuk in leidenschaftlicher Dynamik zwischen mitreißender Rasanz und wuchtiger Emotionalität die romantische Abgründigkeit und Heilsvision grandios zum Leuchten bringt. Die Fuge entwickelt wie bei Bach aus dunkelstem Pianissimo in lichtumflorte Momente aufsteigend immer wieder eingeholt von Düsternis eine rasante Dynamik, in der sich viel stärker als bei Bach in wirbelnden Tonläufen, wuchtigen Akkorden und chaotische Abstürzen extreme Gefühlswelten offerieren, die in fulminanter Schnelligkeit zu zerschellen drohen und gleichzeitig in krassen Forti- und Pianopassagen das glorreiche Himmelreich ahnen lassen.  

Chronologisch angeordnet und eingebettet wird Zsigmond Szathmárys titelgebende, avantgardistische B-A-C-H „Hommage á…“ for grand Organ (1990) zur großen Überraschung dieser CD. Der Kontext macht Bachs Geist und Motivik spürbar, doch  Zsigmond Szathmáry (*1939), der ungarische Grandseigneur des Orgelspiels, entwickelt durch seine chromatische Tonalität mit extrem langgezogenen Tönen und stark rhythmisierten Akkorden ein irrlichterndes Wechselspiel zwischen irdischer Wucht und himmlischem Glasperlenspiel, das Aurel Dawidiuk gleichsam subtil und expressiv, überaus transparent und spannungsreich präsentiert. 

Final wird die Hommage an Bach durch die „Phantasie und Fuge über B-A-C-H“, Op 46 (1900) von Max Reger (1873-1916) noch einmal überdeutlich. Er macht aus der Dualität von Fantasie und Fuge eine symphonische Dichtung, die er nach seinem körperlich-seelischen Zusammenbruch komponierte. Fulminant interpretiert Aurel Dawidiuk die vorgegebenen rasanten Tempisteigerungen und die extrem kontrastierenden dynamischen Akzente. Kaum hörbar aus einem pppp entfaltet er Regers wuchtige Komposition als Symbol in den Wiedereinstieg in eine Ordnung, in der neben dem Glauben auch Bachs Musik zum Retter wird. Aurel Dawidiuks Debüt-CD ist für alle Orgelliebhaber ein ausgesprochener Hörgenuss und eine interessante Horizonterweiterung. 

Aurel Dawidiuk, Orgel B-A-C-H „Hommage à…“, Genuin-classic recording group, 2023Genuin-classics

Aurel Dawidiuk studierte an der Zürcher Hochschule der Künste Orchesterdirigieren bei Johannes Schlaefli und Christoph-Mathias Mueller, Klavier bei Till Fellner und Orgel an der Musik-Akademie Basel bei Martin Sander. Für sein Spiel wurde er bei zahlreichen Wettbewerben mit ersten Preisen ausgezeichnet. Solistisch arbeitet Aurel Dawidiuk mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, der Sinfonietta Köln und dem Göttinger Symphonieorchester. 2021 wurde der junge Musiker in das Forum Dirigieren des Deutschen Musikrates für den dirigistischen Spitzennachwuchs aufgenommen. Er dirigierte bereits namhafte Orchester wie das Berner Symphonieorchester, das Kammerorchester Basel und das Städtische Orchester Thessaloniki.