Regensburg – Ballett – „Gefährliche Liebschaften“ von Yuki Mori

Ballettkritik "Gefährliche Liebschaften" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

Die Augen blitzen, begehren, Körper nähern sich magnetisch angezogen, Hände berühren zärtlich, Arme stoßen wehrhaft ab. Mit unglaublicher Subtilität und Leidenschaft verabschiedet sich Yuki Mori nach 19 Jahren vom zum Abschied seiner Regensburger Zeit als Chefchoreograph und künstlerischer Leiter der Branche Tanz das Publikum mit einem Tanzabend nach Laclos Briefroman „Gefährliche Liebschaften“, unterlegt mit einer wunderbaren Collage barocker Musik und modernen Adaptionen, rasant und leidenschaftlich gespielt vom Philharmonischen Orchester Regensburg unter der Leitung von Tom Woods.
„Gefährliche Liebschaften“ (1782) war wegen seiner erotischen Abenteuer ein Skandal-Beststeller. Laclos schilderte die tiefsten Seelengeheimnisse seiner Figuren und entwickelte eine raffinierte Intrige als Spiegelbild der dekadenten Rokokogesellschaft, die hinter der galanten Fassade ihre Machtkämpfe und privaten Rivalitäten im Bett auslebte. Die Marquise sinnt auf Rache, weil sie ihr Geliebter Danceny die junge Klosterschülerin Cécile heiraten will. Als Wette getarnt verspricht sie dem Frauenliebling Valmont eine Nacht mit ihr, wenn er Cécile entjungfert. Valmont übertrumpft die Wette, indem er noch die tugendsame Madame de Tourvel verführen will.
Wie aus einem alten Genregemälde in Leuchtschrift getitelt als „Waste your love“ lösen sich die Tänzer. Yuki Mori fokussiert auf die psychologische Ebene der Romaninterpretation. Die Drehbühne schafft zum tänzerischen Spiel der Verführungen eine stilisierten Arkadengang, der durch simultan getanzte erotische Szenen und voyeuristische Blicke der Marquise aus immer neue Perspektiven die Raffinesse der Verführungen unterstreicht. Geraffte Vorhänge, vor allem die stilisierten Kostüme (Bühne Michael Lindner, Kostüme Maria Preschel) schaffen stilisierte Rokokoatmosphäre und farbsymbolische Intensität.
Die Marquise in Gelb, das zuweilen königlich gold schimmert, mit einer Schärpe um die Taille von japanischer Wehrhaftigkeit gewinnt Louisa Poletti eine hinreißende Ausstrahlung zwischen absolut beherrschender Dominanz und lodernder Leidenschaftlichkeit. Mit ihren Bewegungen, ihren Blicken hat sie alles im Griff, auch Valmont. Simone Elliott in zarten Rosetönen tanzt Cecile in allen Facetten einer Unschuld, in der erst die Leidenschaft erwacht. Sie wehrt sich strampelnd wie ein Kind gegen die erotisierend begehrlichen Berührungen Valmonts. In surrealen Traumbildern beginnt sie im Quintett der nachtschwarzen Geister als Metapher für die Hofgesellschaft, ihre Sinnlichkeit zu erleben. Jauchzend und wild wie ein Kind kann sie es schließlich kaum erwarten verführt zu werden. Von verzweifelter Expression ist ihr Tanz, als Cécile ihre Mutterschaft entdeckt.

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©Bettina Stöss

Ähnlich, doch mit ganz anderer Körpersprache choreographiert Yuki Mori die Verführung Madame de Tourvels. In türkis sittsamen bedeckten Kleid wehrt sie mit Contenance Valmonts Verführungskünste ab, doch treffen sich ihre Blicke und Berührungen in magischer Intensität und einem großartigen Pas des Deux, in der sich ihre Starre in weiblicher Weichheit auflöst.
Imposant beherrscht Alessio Burani als Valmont die Klaviaturen der Verführung. In immer neuen Bewegungsvarianten, mit begehrlichen Blicken zieht er die Frauen an sich, wendet sich ruckartig ab, einer anderen zu, umschmeichelt subtil, wehrt grob ab. Er ist durch und durch ein Abenteurer, dem keine Frau widerstehen kann, mutig bis zum Tod im Duell.
In perfekter Ästhetik, voller Esprit und in immer neuen berührenden Bewegungsmustern verwandelt Yuki Mori das galante Intrigenspiel des Rokoko in die existentielle Suche nach Liebe, für die eine nur erotische Verführung eben nicht genügt. Am Schluss sind alle Opfer. „Waste of Love“ leuchtet noch einmal auf. Nur das System bleibt, wenn Cécile die Kleider der Marquise anzieht, weiß man, dass sie die Unschuld der reinen Liebe verloren hat und nun sie die Intrigendomina sein wird.
Dass Lucas Roque Machado wegen einer Verletzung bei der Generalprobe verletzt hatte, die Rolle des Danceny bei der Premiere nicht tanzen konnte, fällt gar nicht auf, auch wenn eine imposante Fechtszene fehlt. Ein Grund mehr, sich „Gefährliche Liebschaften“ noch einmal anzusehen.