Berliner Festspiele –  „MEGA ISRAEL“ von der Gauthier Dance Company Theaterhaus Stuttgart 

"Mega Israel" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

An vier Tagen ausverkauft jubelte das Publikum schon bei der charmanten Begrüßung durch Eric Gauthier vor Begeisterung und honorierte die Tänzer aller drei Produktionen mit Standing Ovations.

Hofesh Shechter, der Rock´ n´ Roller unter den Choreographen, selbst Schlagzeuger, der sehr seine Tanzmusik komponiert,  gab mit „Uprising“ einen fulminanten Einstieg. Zu den harten Zweiviertel-Beats industrieller Produktionsakustik in Wiederholungsschleife wirbelten sieben Tänzer in Alltagskleidung durch  bizarr spitzwinklige, leicht vernebelte Lichträume, die große Plätze, Haus, Dschungel, Hinrichtungsfläche assoziieren ließen. Geduckt wie Guerillakämpfer, in der Hocke mit weit ausgreifenden Armen und langen Beinen fegten sie mit animalischer Schnelligkeit und Flexibilität hin und her, ständig bereit zum Nahkampf als Ausdruck männlichen Dominanztriebes. Das ruhige, zugewandte Verweilen bei prasselndem Regen dauert nur kurz. Schon wandeln sich helfende Gesten, stützende Hände am Kopf des Vis-a-Vis in würgenden Angriff. Wie Handgranaten fliegen die Tänzer durch die Luft, sacken im Feuerhagel zusammen, zucken in Agonie wie unter Elektroschocks, kämpfen weiter bis sie im Nebel transzendieren und doch wieder erscheinen als Menschenpyramide mit einem winzigen Revolutionenfähnlein obenauf ein selbstironischer Schluss des „Ubrising“ (Aufruhrs) männlicher Virulanz.

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©Regina Brocke

Gai Behar und Sharon Eyal schaffen das weibliche Gegenstück mit „Killer Pigs“, ihrer internationalen Visitenkarte, die sie für das COLOUR-Festival neu kreierten. Sieben Amazonen in Nude-Optik entwickeln aus der Synthese von Ballett, Cat Walk, Breakdance und roboterhafter Präzision  eine mitreißende androgyne Ästhetik zwischen weiblicher Schönheit, und männlichem Kampfgeist.  Statt auf Spitze tanzen sie auf den Ballen wie auf High-Heels, federnden Schrittes wie Models mit stolz zur Schau getragenem Exhibitionismus, unterschiedlich groß, trotzdem durch die  synchrone Präzision der Choreographie zur  Einheit geformt. Aus Linien formen sich Raumbilder, aus der Gemeinschaft 1:6-Relationen. Immer härter werden die Soli. Zarte Eleganz entfaltet sich zu maskuliner Kraft, gewinnt im Sonnenlicht weibliche Strahlkraft, ungewöhnliche Elastizität.  Die lichtmodellierten Körper signalisieren mit schwingenden Hüften, pulsierendem Atem, ekstatischem Zucken  im Rhythmus von Ori Lichtiks Soundkulisse das Gebären und die Geborgenheit des Miteinander. Wie Androiden scheinen die Tänzerinnen  in eine Welt von morgen wegzuschweben und kreisen noch einmal zurück als Sinn- und Schlussbild vielgliedriger Weiblichkeit.

Ganz  anders setzt Ohad Naharin mit seiner Choreographie „Minus 16“, das schon kurz nach der  Uraufführung1999 zum Kultstück avancierte, auf  Amüsement durch ein Kaleidoskop unterschiedlichster Episoden.

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©Regina Brocke

Es beginnt unspektakulär bereits am Ende der Pause mit einer solistischen Slapstick-Parodie, die sich zu einem parodistischen Cha-Cha-Gezappel von 26 Anzugträgern formiert,  sich nach einer Vorhangpause in ein Halbrund gläubiger Juden verwandelt. Auf Stühlen sitzend karikieren die 26 Tänzer zwischen singendem Vorbeten und Refrain im nacheinander präziser Bewegungsschleifen wie ein Welle von links nach rechts schwappend, in immer größere Ekstase slapstickartig gezirkelter Bewegungen, Jackett, Schuhe, weißes Hemd in die Mitte werfend religiösen Fanatismus, dem sich nur einer entzieht. Er, der letzte, fällt, bei jeder Runde gläubig  auf den Boden und lässt seine Klamotten an.

In einem wunderbaren Pas de deux nach Vivaldis „Stabat Mater“ finden Mann und Frau berührende Gesten des Beschützens als Reaktion auf Angst und Revoltieren.

Die anderen Episoden zeichnen13 Tänzer im Anzug mit Hut als  fröhliche  Cha-Cha-Cha- und Tangosalonparodien, das sich mit Statisten aus dem Publikum, als fetzig bunt sympathisches Spektakel präsentiert, deren schmissige Fröhlichkeit auf die Zuschauer wie bei einem Popkonzert überspringt und abrupt in einer traditionellen Ballettstunde als augenzwinkernde  Hommage an die harte Arbeit an der Ballettstange und einen ganz anderen sich daraus ergebenden Tanzstil erweist, ein Tanzstil dessen Lebensfreude ansteckt.