Berlin – „Eyal /Ekman“ mit zwei Ballett-Uraufführungen für das Berliner Staatsballett

Tanzkritik "Ekman/Eyal" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Jubal Battisti

In Nude-Optik auf Spitze in High Speed vibrierend erobern die Tänzerinnen Bühne durch einen raffinierten Tanzstil zwischen klassischer Meisterklasse und modernen Bewegungsdetails chargierend. Mit flatternden Händen, extrem hohen Beinen, energetischen Sprüngen und erotischen Spreizungen präsentieren Aurora Dickie, Ksenia Ovsyanick, Johnny McMillan und ganz besonders Polina Seminova mit ihrer bezaubernden Körpersprache eine spannende perfekt gestylte Performance über die menschliche Distanz vor dem Hintergrund ständigen Konkurrenzdenkens. Erst im meditativ ruhigem, sehr gestischen Duo weicht die glatte Kälte zärtlich ruhiger gestischer Annäherung, wird aus dem „No“ ein „Ok“..Abrupt weicht die Idylle einer Catwalk-Atmosphäre. Eingehüllt in extravagante, extrem langhaarige Kostüme (Charlie Le Mindu) verwandelt Alexander Ekman, die vier Tänzerinnen und Elisa Carrillo Cabrera in mythische Fabelwesen, die sich drehend und schwingend, weit mehr wie einst im Barock durch die Frontagefrisuren regelrecht elongieren, durch Lichteffekte verstärkt zu sich drehend befreienden Energiefeldern mutieren und gleichzeitig, nicht zuletzt durch die Musik mit tropischem Regen und Vogelkreischen eine parodistische Zeitreise in den Affenzustand der Menschen als natürliche Befreiung assoziieren lassen. Die Zuschauer sind vom überaus effektvollen Spektakel begeistert, das im zweiten Teil nicht viel mehr als ein vibrierendes Abtanzen ist.

Um Energiefelder geht es auch bei Sharon Eyal. Sie entwickelt zusammen mit Co-Choreograph Gai Behar in ihrer neuen Choreographie „STRONG“ ihren energetischen Tanzstil weiter, dunkler und noch heftiger. Gesprächsfetzen eskalieren und werden von den noch lauteren Technobeats Ori Lichtiks überdröhnt. Ein Menschenpulk kristallisiert sich im Nebel heraus.

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©Jubal Battisti

Elf Tänzerinnen in transparentem Schwarz mit blickdichten Akzenten verschmelzen mit sechs Tänzern, deren nackte Arme und Schulterpartien effektvolle Akzente setzen, zu einem energetischen Kraftfeld um eine Tänzerin im Zentrum. Sie ragt heraus, treibt den Pulk. Fast immer auf dem Ballen tanzend bewegt sich der Pulk in winzigen Schritten als leicht inhomogene Masse, bewusst nicht synchron, immer subtil verschoben um die energetischen Kettenreaktionen zu verdeutlichen. In Reihen, Diagonalen, V-förmigen Keilen steigert sich die Dynamik und kehrt doch immer wieder im Schnittpunkt der Lichtkegel zur zentrifugal schützenden Kreisstruktur zurück. Zackige Kopfdrehungen, extreme Muskelanspannungen machen Energieströme sichtbar und pulsen bis in den Zuschauerraum. Auch in dieser Choreographie scheren Individuen aus. Noch schneller als in der Choreographie „Half Life“ wirken die Schritte, als rollte die Tänzerin hin und her. Noch expressiver sind die Hände zu Fäusten geballt oder am Hals als Würgegriff.

©Jubal Battisti

Die Antreiberin verlässt den Pulk der Masse, die existentialistisch im Nichts des Nebels verschwindet, als ausgepresstes Arbeitskollektiv oder zugeknallte Clubszene denkbar. Trotz völliger Abstraktion, tänzerischer Monotonie  in subtilen Verschiebungen kann man sich dem Energiefeld „STRONG“ kaum entziehen. Es wirkt wie ein Magnet. Großartig!
Mit diesen beiden extrem konträren Stück  zeigt Berliner Staatsballett  einmal mehr, dass auch der  moderne Choreographien ihren Platz finden.