Berlin –  Catherine Gaudets „The Fading of the Marvelous“ „Tanz im August“

Tanzkritik von Catherine Gaudets "The Fading of the Marvelous" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Mathieu Doyon

Die frankokanadische Choreografin Catherine Gaudet interessieren die subtilen Verschiebungen des Körpers, in denen sich die Facetten psychischer Zustände im sozialen Kontext angleichen, zermürben und sich schließlich ändern. Körper  und Hirn sind für Catherine Gaudet eine Einheit. Der Körper ist der Resonanzraum für die Seele. Entsprechend sorgfältig sucht sie ihre Performer aus. Dany Desjardins, Caroline Gravel, Leila Mailly, James Phillips und Simon Renaud bringen genau diese Kombination von kraftvoller Körperlichkeit und geistiger Ausdruckskraft, die diese Performance braucht, um  sie intuitiv über die Bewegungen im Rhythmus der Musik zu verstehen.

„The Fading of the Marvelous“, „Das Verblassen des Wunderbaren“ wird immer neuen Facetten nicht nur sichtbar, sondern über die Musik, gellende Schreie hörbar, über schweißschimmernde Körper fühlbar.

Die Performer offerieren durch Mikrobewegungen ihre ständig wechselnde Emotionalität, ziehen durch expressive breakdanceartige Roboterhaftigkeit, schauspielerische Blickintensität in ihren Bann, wodurch sich die abstrakte Performance leicht als Metapher der unterschiedlichen Lebensfacetten erschließen lässt.

Erst als die Performer aus ihrem gleichgeschalteten Ritual hüpfend  ausbrechen, sich mit Kampfschreien befreien, finden sie  zur archaischen Kreisform zurück, die jedem einzelnen mehr Raum gibt, seine Leidenschaften auszuleben, aus der Individualität herauszutreten und  wieder Zweierbeziehungen einzugehen. Man wagt wieder die gegenseitige Berührung, einen bewusst ungelenken Walzer zum Viervierteltakt für die erste Bewegungsversuche  in der neuen Freiheit, dann große Schritte mit wiegenden Hüften, kreisenden Oberkörpern, schwingenden Schultern wie auf einem Catwalk. Doch über die Wucht des Sounds  euphorisieren sich die Performer vom egofokussierten „Me“ der Musik zu deren egozentrischen „My“-Power, das aufkeimendes Miteinander am Egotrip  zerschellen lässt. Orgiastisches Stöhnen dehnt sich in trancehaft ekstatischer Körperlichkeit in nächtlichen Lichtstimmungen. Doch statt himmelhochjauchzend  sinken die Körper  wie unter Elektroschocks in breakdancemäßigen Zuckungen  entenergenisiert in Agonie  zu Boden. Schnappatmend und mit schrillen Vogelschreien, untermalt vom balsamischen Bass der Musik, gefrieren die Körper im Tageslicht zu den Posen, die ihrer Seele entsprechen, zu den Empfindungen zwischen ästhetischer Selbstdarstellung, Himmelstürmer  und existenziellem Schrei.

So gelingt eine  starke, in sich sehr schlüssige Choreografie als Metapher unseres Lebens mit der Botschaft, dass gesellschaftliche Routinen durchaus durchbrochen werden können, ohne die Sinnhaftigkeit der neuen Rollen zu hinterfragen.