„Arise“, Full of Drems@Ralph Larmann
Die Story ist simpel, in der Gegenwart der Fotoshootings verortet und allegorisch durch den Kampf zwischen Licht und Zeit aufgepeppt. Der Starfotograf Cameron (Frank Winkels) hat mit seiner Muse (Kediesha McPherson) auch sein Gefühl für den perfekten Moment verloren. So grandios seine Modells im wahrsten Sinne des Wortes mittels Windmaschine aufgeblasen werden, gelingt kein einziges Foto. Cameron stürzt in eine tiefe Krise, aus der ihn die Zeit (Olivier Erich Louis) mit allerlei mephistophelischen Vergnügungen abzulenken versucht, was aber ähnlich wie bei Goethes Faust nicht so wirklich gelingen will. Hin- und hergerissen zwischen Licht und Schatten, Muse und Zeit darf Cameron seine Liebste noch einmal wiedersehen, was Raum gibt für eine zauberhaft poetische Finger-Schattenspiel-Szene. Doch im perfekten Moment einer innigen Umarmung löst die Zeit die neu entflammte Romanze in Nichts auf. Das Finale endet trotzdem in einem harmonisch hoffnungsfrohen fulminanten „Arise“.
Aber die Story ist ohnehin Nebensache. Im Mittelpunkt steht die glamouröse Revue mit immer neuen optischen Reizen, die Strahlkraft perfekter Körper in faszinierenden Roben designed von Stefani Canulli.
The Love of Light is Divine©Nady El-Tounsy
40 Frauen und 20 Männer verwandelt er in erotisch exotische Phantasiegeschöpfe, inklusive farbenprächtiger Nymphen und zauberhaften und ulkigen Unterwasserwesen zwischen Seenlandschaft und Fontänen. Selbst dem nostalgischen Schwung rechtes, linkes Bein hoch kann man sich angesichts 64 makellos schönen Frauenbeine kaum entziehen. Es ist übrigens die längste Revuegirllinie der Welt.
Doch Intendant Bernd Schmidt zeigt auch neue Wege. Das tänzerische Highlight bietet von den sieben engagierten, sehr renommierten Choreographen zweifelsohne Ohad Naharin, Leiter der israelischen Batscheva Dance Company. Er hat seine witzige Choreographie zum jüdischen Endloslied „Echad mi yodea“, inzwischen weltweit Kult und in Berlin bereits vor einhalb Jahren zu sehen, entsprechend dem Megaformat Grand Show multipliziert.
Mit immer neuen Highlights wird das Publikum zum Staunen gebracht. Statt Mann im Mond kreist eine Lady mit verführerisch akrobatischen Bewegungen im Kreisrund über den Köpfen der Zuschauer. Herzpochen stellte sich bei den beiden Artistiknummern ein, beim „Russian Swing Act“ und noch einmal getoppt von den „New Flying Cáceres, die teilweise zu sechst im fliegenden Wechsel durch die Luft schwirren und durch zwei Fehlgriffe bei der dritten Aufführung am Samstagabend den Atem stocken ließen, aber unbeschadet im Sicherheitsnetz landeten.
Angesichts der flirrenden Optik rückt die Musik trotz gigantischer Live-Besetzung, dem stringentem Dirigat Daniel Behrens’ und einem rasanten Repertoire aus Rapp, Hip-Hip, Pop, Latino, Evergreen und neu komponierten Melodien in den Hintergrund. Charisma zeigt Olivier Erich Louis, nicht nur durch seine ausgefallene Optik als personifizierte Zeit, sondern auch als überaus smarter, die Handlung erzählender und kommentierender Conférencier und fulminanter Sänger, der sich zwischen den nicht minder stimmkräftigen Sängerinnen Kediesha McPherson (Muse) und Tertia Botha (Licht) durch sein tiefes Timbre bestens positioniert. Standing Ovations für glitzerndes Spektakel der Sonderklasse.
©Michaela Schabel
Die Sinnfrage darf man sich bei diesem Spektakel nicht stellen. Es geht um mehr als um Unterhaltung.
Friedrichstadt Palast©Bernd Brundert
Der Friedrichstadt-Palast soll als Amüsiertempel mit langer Tradition und als internationales Aushängeschild erhalten bleiben. Er steht seit 2020 unter Denkmalschutz. 2019 feierte man „Ein Jahrhundert Palast, das der Eröffnung von Max Reinhards „Großem Schauspielhaus begann. Der Friedrichstadt-Palast, Name für das Haus und das Revuetheater, ist heute noch das größte Theater Berlins.