"Kultur macht glücklich"


Regensburg – Massenets „Werther“ im Stadttheater

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Regensburg – Massenets „Werther“ im Stadttheater

©Stadttheater Regensburg, Juliane Zitzelsperger

Charlottes Geschwister, fünf adrette Chorkinder stehen wie Orgelpfeifen vor dem Flügel bei Fuß, nicht minder aufrecht charakterisieren der Vater und seine beiden Freunde patriachalische Dominanz. Sie wollen die Macher sein im modern gestylten Wohnambiente und sind doch nichts anderes als hedonistisch geflashte Alkoholiker, die nur allzu schnell ihre Contenance verlieren, zumal ein Tänzer als Bacchus-Allegorie mit parodistischer Geste ständig großzügig nachschenkt. Die Verantwortung trägt allein Charlotte. Ihr Versprechen an die verstorbene Mutter sich um die Geschwister zu kümmern und den treuen Albert zu heiraten ist wichtiger als die aufflammende Liebe zu Werther. 

Wie ein Sturm bricht dieser in ihr Leben ein. Das Haus, ein moderner 08/15-Glaskubus verschwindet nach unten und gibt den Blick dahinter frei, nicht auf die legendäre Ballszene, sondern auf eine lässige Party unter jungen Leuten, bei der Geschlechtsidentitäten nicht mehr stigmatisieren.

Massenets Oper "Werther" am Theater Regensburg präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Stadttheater Regensburg, Juliane Zitzelsperger

Mit Werther und Charlotte treffen zwei Seelenverwandte aufeinander, die äußerlich nicht unterschiedlicher sein könnten, hervorragend mit dem indischen Gasttenor Amar Muchala und Mezzosopranistin Vera Semieniuk besetzt. Sie spießig wie eine Gouvernante, klangvoll distinguiert, er als Rocker mit langen Haaren und Lederkluft durch und durch ein Stürmer und Dränger, der das Fortissimo des Orchesters schrill und kämpferisch durchdringt und doch im dritten Akt mit ganz leisen Tönen zu berühren vermag. Dieser Werther ist als einziger kein Macho. Er sieht ein, dass Charlottes Verantwortung wichtiger ist. 

Charlotte heiratet Albert, mit Seymour Karimovs sonorem Bariton und Charisma durchaus eine attraktive Partie. Doch die Regie enttarnt ihn als smarten Egozentriker. Indem er auf Charlottes Brautschleier steigt, bremst er abrupt ihre Bewegungsfreiheit. Der Schleier nicht weiß, sondern giftig gelb-grün, zusammengebauscht unter dem Arm wird ihr Gesicht regelrecht unsichtbar. Sie erstarrt zum Objekt, eine der stärksten Szenen des Abends. 

Im dritten Akt begegnet man einer ganz anderen Charlotte, die Haare offen, mit Lederjacke und Boots, besingt sie in einer fulminanten Arie ihr Leid, während Werthers Liebesbriefe herabschweben.

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©Stadttheater Regensburg, Juliane Zitzelsperger

Mit dem Revolver zielt sie nicht auf sich, sondern auf Gott, der ihr die Verantwortung aufgelastet hat. Selbst ihre Schwester Sophie, von Eva Zalenga als unkompliziertes Mädchen immer wieder mit glockenreiner Stimme, ansteckender Fröhlichkeit und betörendem Charme gezeichnet, kann Charlotte nicht aufheitern. Erst als Werther auftaucht, findet Charlotte neuen Mut. Noch steht er oben auf der Treppe, doch sie finden sich auf gleicher Augenhöhe und in dem Moment küsst sie ihn, früher als das Libretto vorgibt. Werther bleibt nichts als der Selbstmord. Er dankt dem Tod, der ihr die Unschuld bewahrt und ihn vor Reue verschont und stirbt in ihren Armen nach einem innigen Duett.

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©Stadttheater Regensburg, Juliane Zitzelsperger

Licht erstrahlt. Die weißen Teppichbahnen schweben nach oben als grandioses Symbol zu Werthers Himmelfahrt.