München – Opernprojekt „7 Deaths of Maria Callas“ von Marina Abramović

Opernkritik "7 Deaths of Callas" von Marina Abramovic präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Wilfried Hösl

Im Sterbebett, umhüllt von wild romantisch projizierten Wolkenungetümen lässt Marina Abramović als Callas noch einmal eine Hitparade der Best of Arien über bühnenfüllende Videos Revue passieren, in denen sie mit eigenen Texten Liebe und Freiheit reflektiert und in Großaufnahme inszeniert, während die weniger bekannten, doch sehr talentierten Sängerinnen anspruchsvollste Arien betörend schön singen. In Relation zu den Projektionen winzig klein, in uniformierten Kleidern, in denen sie später im Hotel als Zimmermädchen agieren, ohne erkennbare Regie wird der Gesang zur Nebensache. Marina Abramović zieht mit ihrer wuchtigen Weiblichkeit und medialer Sensationshascherei die Aufmerksamkeit ganz auf sich. 

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Als Violetta nimmt sie mit dem kraftvollen Blick der Liebe von Alfredo Abschied. Er bricht zusammen, sie ist im Tod die Heroin. Dieses Modell zieht sich als roter Faden durch die Inszenierung, mit Filmschauspieler Willem Dafoe effektvoll in Szene gesetzt. Als Tosca schwebt Marina Abramović den Turm hinunter, um dekorativ auf dem Dach einer Limousine zu landen. Tapfer, ohne mit der Wimper zu zucken, lässt sie sich als Desdemona von Othello mit einer Boa einwickeln und von ihr ersticken. Als Butterfly macht sie nicht Harakiri, sondern wählt, nachdem der Wolkenstrudel die Szenerie auf den atomaren Kahlschlag Hiroshimas eröffnet, den Freitod durch Verstrahlung, indem ihren Schutzanzug auszieht und mit ihren großen Brüsten wie die Urmutter der Erde schlechthin erscheinen will. In der Rolle der Carmen dreht Marina Abramović im Torero-Outfit den Spieß um. Es beginnt ein Kampf auf Augenhöhe. Ihre Carmen lässt sich nicht fesseln, zückt das Messer, doch José ist schneller. Als Lucie wirft sie im Wahn, der den Menschen die Verantwortlichkeit nimmt, mit Vasen Spiegel entzwei, als Symbol ihrer psychischen Zersplitterung. Als „Norma“ vertauscht sie die Genderrollen. In Hosen schreitet sie heroisch in die Flammen, wohin ihr Willem Dafoe als Pollione, mit Lippenstift und in Frauenkleidern ergeben folgt. Erst der Tod ermöglicht „Zeit zu lieben für immer“. 

Die Arien Violettas „Addio, del passato“ (Hera Hyesang Park), Toscas „Vissi d´arte (Selene Zanetti), Desdemonas „Ave Maria“ (Leah Hawkins) Butterflys „Un bel di, vedremo“ (Kiandra Howarth), Carmens „Habanera“ (Nadezhda Karyazina) Lucias „Il dolce suono“ (Adela Zaharia) und Norma „Casta Diva“ (Lauren Fagan), allesamt sehr schön gesungen, verblassen, die Videobilder bleiben nachhaltig in Erinnerung. Zumal Marko Nikodijević´ Filmsound die klassischen Kompositionen immer wieder zudeckt. 

Nach den sieben Toden wacht Marina Abramović als Maria Callas in einem noblem Schlafzimmer auf. „Es ist nur Paris“ bemerkt sie mit Blick aus dem Fenster im gold schillerndem Kleid. Sie stürzt sich nicht hinab. Leise verlässt sie den Raum, Symbol für den Tod, während Maria Callas´ Originalstimme in Bellinis Norma „Casta Diva“ zu hören ist.

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Eine stimmige Geschichte, doch der Stilmix wird keinem Genre gerecht. Die Oper verliert ihren Live-Charakter. Die von Marko Nikodijević eigens komponierte Musik ist nicht viel mehr als ein sich musikalisch wiederholender Soundtrack, in dem die wunderbaren Opernarien Bellinis, Bizets, Donizettis, Puccinis und Verdis nur kleine Akzente setzen. Das Staatsorchester rückt trotz Yoel Gamzous temperamentvollem Dirigat in die zweite Reihe. Filmisch (Regie Nabil Elderkin, Video Marco Brambilla)  sind die Bilder zwar wuchtig, aber sehr an der Grenze zum Kitsch. Das wird dem Leben einer Callas nicht gerecht und von der viel besprochenen energetischen Kraft Abramovićscher Performance ist in diesem Opernprojekt wenig zu spüren.