München – Oper – „Otello“

Mit einem wahrlichen Donnerschlag beginnt Verdis „Otello“ in der Münchner Staatsoper. Dem Unwetter folgt der Donner der „Vittoria“-Tutti.  Kirill Petrenko lässt Orchester, Chor und Sänger so im Fortissimo erbeben  und findet nicht nur im letzten Akt die berührenden Momente im Pianissimo. Das sind die Eckpfeiler dieser großartigen „Otello“-Interpretation an der Münchner Staatsoper, die allerdings besser „Desdemona“ heißen sollte. Sie ist das Opfer, nicht Otello.

Anja Harteros überstrahlt mit mit kraftvollen, lyrischen Sopran selbst die temperamentvollsten Tutti mit Chor und  ihrer Bühnenpräsenz im blendend weißen Kleid, das gesamte Ensemble. Sie ist unter Amélie Niemeyers Regie die große Lady, die ihre Liebe zu leben wagt, eine reine Madonna, die intuitiv, geradlinig und emanzipiert unterstützt, was Rechtens ist. Beharrlich mischt sie sich in Otellos Personalpolitik ein. Cassio  soll in Amt und Ehre bleiben, wie er es verdient. Doch in ihrer Unschuld durchschaut sie die Intrige Jagos genauso wenig wie Otello. Indes gemahnt ihr schwarz glänzender Hosenanzug gemahnt schon an ihren Untergang.

Die Bühne, ein großer Raum aus der Belle Epoque, durch Stufe und  subtile Lichtregie  zweigeteilt, ermöglicht eine spannende  Simultaneität von äußeren und inneren Geschehen, Distanz und Nähe, Glanz- und Schattenwelten (Bühne Christian Schmidt, Licht Olaf Werner.)

Extrem minimalistisch ausgelegt, auf Gesang und Musik fokussiert entstehen eindringliche Szenen, wenn Desdemona das Einheitsgrau des Inszenierung durchfunkelt, der Blumendank des Kinderchores zwischen Traumhochzeit und Begräbnis Desdemonas oszilliert, sich der Raum um sie herum als surreale Splitterung ihres  Bewusstsein dreht (Video Philipp Baterau), die naturalistische Erwürgungsszene zum dramaturgischen Höhepunkt avanciert.

Mit einem wahrlichen Donnerschlag beginnt Verdis „Otello“ in der Münchner Staatsoper. Dem Unwetter folgt der Donner der „Vittoria“-Tutti.  Kirill Petrenko lässt Orchester, Chor und Sänger so im Fortissimo erbeben  und findet nicht nur im letzten Akt die berührenden Momente im Pianissimo. Das sind die Eckpfeiler dieser großartigen „Otello“-Interpretation an der Münchner Staatsoper, die allerdings besser „Desdemona“ heißen sollte. Sie ist das Opfer, nicht Otello.

©Winfried Hoesl

Weniger überzeugt die Welt der Männer. Jago, mit Gerlad Finley, Otello mit Jonas Kaufmann stimmlich und darstellerisch hochkarätig besetzt und bestens in Form, bleiben dennoch im Schatten Anja Harteros. Otello mit  Hosenträgern, Jago im T-Shirt degradieren zu biederen Bürokraten ohne Chance Amélie Niermeyers Konzept latenter Migrationsthematik zu offerieren (Kostüme Annelies Vanlaere). Glanzpunkte in den kleinen Partien sind Evan LeRoy Johnson als smarter Cassio und Rachael Wilson als Emilia.

Das Publikum jubelt zurecht.

Michaela Schabel

Fotos: Winfried Hösl

Bildtext: In der minimalistischen Inszenierung kommen Sänger und innere Figurendramaturgie bestens zur Wirkung, in den Hauptrollen Anja Hater0s (Desdemona) und Jonas Kaufmann (Otello)