©Christian Pogo Zach
Zwischen altmodischem Wartegang und futuristischen Häuserfluten, Bauhausinterieur und moderner Fluchtwegtreppe entwickelt sich das flotte operetten-varietéhafte Spektakel zweier Liebespaare symbolisch als Kampf der alten Welt gegen die neue. Die Konzeption als Komödie auf Diener- und Herrschaftsebenen ist traditionell, Musik und Inszenierung für damalige Zeiten extrem avantgardistisch, verfremdet durch Stummfilmoptik, groteske Kostüme in der Art des Triadischen Balletts, aufgepeppt durch Revuetanz.
Unter der Regie Peter Lunds gelingt ein unterhaltsames Spektakel, wie im Stummfilm in einzelne Kaptitel strukturiert, zwischen pathetischem Expressionismus, filmreifen Verfolgungsjagden, aufgepeppt durch akrobatische Tanzeinlagen und Breakdance. Die alte Kultur hat keine Chance. Amerika ist die Zukunft. Sie spiegelt sich in erster Linie in der Figur Anita, die vom Komponisten Max entdeckt, Karriere macht. Von Kopf bis Fuß in Rot gekleidet wird sie zur Glamourlady, der die Männer zu Füßen liegen. Sie genießt jeden Augenblick, als wäre es der letzte, gesanglich und schauspielerisch herrlich von Mária Celeng in Szene gesetzt. Sie verkörpert das amerikanische Selbstwertgefühl. „Sei in dir, so wie du bist und alles wird gut.“ Max dagegen, ein Spiegelbild Kreneks, verharrt in Elegie, von Alexandros Tsilogiannis bewusst expressiv pathetisch interpretiert. Von seiner Gletschersehnsucht, Metapher seiner Todessehnsucht übermannt, wird er zunächst vom Orchester überstrahlt und gewinnt erst im Kampf um Anitas Liebe energetische Lebensenergie, sprich sängerische Fulminanz, die der snobistische Stargeiger Daniello, sehr verliebt in Anita, rollenspezifisch ständig präsentieren darf (Mathias Hausmann).
Um Anita als strahlende Diva dreht sich alles, so dass auch Titelheld Jonny, doppelt besetzt mit Johannes Thumser als Tänzer und mit Ludwig Mittelhammer als Sänger, zunächst „blackgefaced“ ein sympathischer Pfiffikus als Nebenrolle rangiert. Yvonne (Judith Spießer) als naives Dienstmädchen, nicht nur, aber doch sehr stark bedingt durch ihr triadisches Kostüm avanciert mit dem kugelrunden Manager (Holger Holmann) zur experimentellen Raumfigur, die allein durch ihre Körperlichkeit immer wieder witzige Distanz bzw. Zusammenstöße bewirken, dadurch grotesk kapitalistisches Herrentum und dienende Knechtschaft herzhaft parodieren.
©Christian Pogo Zach
Das Chaos um die gestohlene Geige und vergeigte Liebesbeziehungen eskaliert. Es ist 5 vor 12 Uhr. Dann kommt der Zug, der Anita nach Amerika bringen soll. In letzter Minute gelingt ein doppeltes Happyend und ein überraschendes Finale. Jonny, inzwischen nicht mehr black, sondern weiß, gibt dem Offizier um des Friedens willen nicht die Geige, sondern die Hand, Symbol nicht nur für die Vereinigung von alter und neuer Welt, sondern auch als Anerkennung aller Menschen auf gleicher Augenhöhe.
©Christian Pogo Zach
Und jetzt stehen wir kaum 100 Jahre danach wieder vor dieser Situation anzuerkennen, was andere aberkennen. Darum wurde die Premier von „Jonny spielt auf“ kurzfristig zur Benefizveranstaltung zu Gunsten der Aktion „Deutschland hilft“ deklariert.
Künstlerisches Team: Michael Brandstätter (Musikalische Leitung), Peter Lund (Regie), Karl Alfred Schreiner (Choreografie), Jürgen Franz Kriner (Bühne), Daria Kornysheva (Kostüme), Raphael Kurig, Meike Ebert (Video), Petro Numico (Choreinstudierung), Michael Alexander Rinz (Dramaturgie)
In den Hauptrollen singen Alexandros Tsilogiannis (Max), Mária Celeng (Anita), Ludwig Mittelhammer (Jonny), Mathias Hausmann (Daniello), Judith Spießer (Yvonne)