©Landestheater Landshut, Peter Litvai
Die Sujets passen bestens zusammen. Beide Male wird eine aufrichtig liebende Frau aus dem Volk betrogen. In Puccinis „Le Villi“ darf sich Anna, die verlassene Verlobte nach Heinrich Heines Sage als Geisterwesen, sogenannte Willis, an ihrem Liebsten∂ rächen, indem sie so lange mit ihm tanzt, bis er tot umfällt. In der „Cavalleria rusticana“ rückt neben der betrogenen Frau der italienische Machismo in den Mittelpunkt. Die Frauen müssen nur schön und treu sein. Die Männer machen, was sie wollen.
Doch gegen Pietro Mascagni, dem tatsächlich ein durchkomponierter Einakter gelang, womit er 1883 den Kompositionswettbewerb des italienischen Verlagshauses Sonzogno gewann, hatte sein fünf Jahre älterer Freund Puccini mit seiner Nummern-Oper, aus deren Libretto sich die Handlung kaum erschließt, weder bei jenem Wettbewerb noch heute eine Chance.
Diese Schwäche löst Regisseur Jürgen Pöckel elegant mit einer Erzählerin und rückt damit beide Opern auf Distanz nach dem Motto „So war es früher.“
Zusammen mit Choreografin Annett Göhre und Bühnen- und Kostümbildnerin Andrea Hölzl gelingt es ihm beide Opern optisch gekonnt miteinander zu verbinden, weg von naturalistischen Realitäten in ein stilisiert atmosphärisches Ambiente mit voller Konzentration auf Gesang und Musik, sehr schwungvoll beim Verlobungsfest und sehr empathisch von den Willis tänzerisch umgesetzt.
Puccinis Schwarzwaldbegeisterung, die ihn zu dieser Gespensteroper „Le Villi“ (1884) inspirierte, reduziert sich auf einen verdorrten Baustamm, einen leuchtenden Stern davor am Boden, der später zerbricht, als Symbol für Annas Tod aus Kummer über Roberto, der sie mit einer anderen betrügt. Sehr gut aus dem Ensemble besetzt kann „Le Villi“ trotzdem nicht überzeugen. Zu temperamentvoll setzt Basil H.E. Coleman allzu oft auf ein derartiges Fortissimo, das Yitian Luan als Anna und Vicent Romero als Roberto das Orchester nur noch sehr forciert übertönen können. Auch der Chor wirkt immer wieder in den Höhen angestrengt. Die Trompeten drängen sich zuweilen arg schrill in den Vordergrund. Puccinis Anlehnungen an Wagner werden zwar in aller Wucht hörbar, aber sein Talent gesanglich und instrumental zu emotionalisieren nur in kleineren Passagen. Wunderbar singt Kyung Chun Kim die Partie des todtraurigen Vaters, pianissimo vom Orchester begleitet.
Wie ausgewechselt ist der Tonklang nach der Pause bei der „Cavalleria rusticana“, schon die Ouvertüre ist ein Genuss. In langsamerem Tempo wirkt das Orchester ausbalanciert, finden Stimmen und Instrumentalisten zu einer bewegenden Harmonie, werden die Tutti transparent. Vicent Romeros Tenor mit italienischem Schmelz, wieder in der Rolle des untreuen Mannes, kommt jetzt bestens zur Wirkung. Kyung Chun Kim setzt als gehörnter Ehemann dunkel dominante Akzente und Reinhild Buchmayer funkelt als Santuzza in ihrem Liebesschmerz, den Sabine Noack als elegant verführerische Lola sehr kess verstärkt, weil diese Lola nicht nur schön ist, sondern Santuzza den Mann wegschnappt.
©Landestheater Landshut, Peter Litvai
Gespielt auf dem Kirchplatz umgeben von einer stilisierten Häusersilhouette im Hintergrund durchsonnt der Campanile und die Kirche, assoziiert man zwischen Orangenernte und Osterprozession das Italien von einst à la „Don Camillo und Peppone“. Die Willis geistern zwar auch hier herum und beim Duell färbt sich der Himmel blutrot. Aber Santuzza bleibt beschützt von Turiddus tatkräftiger Mutter (Lucie Ceralová) am Leben.
Zweimal Liebesleid so ähnlich hintereinander und doch so verschieden in der gesanglichen und musikalischen Präsentation ist eine durchaus erkenntnisreiche Erfahrung, die die Bedeutsamkeit der Wechselbeziehung von Komposition und Dirigat in den Mittelpunkt rückt.
Künstlerisches Team: Basil H.E. Coleman (Musikalische Leitung), Jürgen Pöckel (Inszenierung), Andrea Hölzl (Bühne, Kostüme), Annett Göhre (Choreografie), Eleni Papakyriakou (Choreinstudierung), Swantje Schmidt-Bundschuh (Dramaturgie)
Mit, Yitian Luan (Anna), Vicent Romero (Roberto, Turridu), Kyung Chun Kim (Guglielmo, Alfio), Reinhild Buchmayer (Santuzza), Lucie Ceralová (Mutter Lucia), Kenzie Brousson, Muriel Bermejo, Sakura Inoue, Stella Perniceni, Anna Veit (Erzählerin)