Unter dem sperrigen Titel „Oper Jung! Musiktheater für Kinder zwischen Bühne und Bildung“ gibt eine übersichtliche Chronologie der bisherigen Kinderoper und Kinderkonzerte zu entdecken inklusive bunter Illustrierung, partizipativer Projekte und informativen Interviews zu jedem Bereich.
Noch vor 20 Jahren waren Opern für Kinder, von Humperdincks „Hänsel und Gretel“ abgesehen, kein Thema künstlerischer Konzeptionen. 2003 begann die Komische Oper unter der Intendanz Andreas Homokis mit Benjamin Brittens „Schornsteinfeger“ die Operntradition für Kinder zu entwickeln. Sein Nachfolger Barrie Kosky entwickelte die Kinderopber ab 2012 mit Begeisterung weiter.
Alle 15 Opern werden übersichtlich in vier Abschnitten nach Entstehung, Handlung, Musik und Wirkung dargestellt. Jedes Jahr wird im Auftrag der Komischen Oper ein neues Stück für Kinder vertont, getextet und inszeniert, darunter traditionelle Märchen wie die „Prinzessin auf der Erbse“, große literarische Klassiker wie „Das Gespenst von Canterville“, „Robin Hood“, „Die rote Zora oder ganz neue überraschende Geschichten wie die kabarettistische Insektenoper „Mikropolis“.
Früher galt es die nächste Operngeneration heranzubilden. Heute will man in erster Linie Kinder, die in einer medienbestimmten Welt aufwachsen, die Welt der Bühne durch neue Erfahrungen nahebringen. Opern und Konzerte haben keine Erziehungsfunktion, sieht man von allgemeinen Verhaltensregeln in der Öffentlichkeit ab, sondern eröffnen neue Welten und vergrößern die Empathie.
Regisseur Matthias Rebstock spricht von der „Sehnsucht nach Unmittelbarkeit“. Bühne live bietet ein ganz besonderes Erlebnis im Vergleich zu medialen Angebote, hat direkt mit der Lebenswelt der Kinder zu tun. Die Bühne vermittelt magische Momente von besonderer Intensität, individuelle Schlüsselerlebnisse, aber auch Gruppenerlebnisse. Inszenierungen in kleinen Räume eignen sich dafür oft besser als die große Bühne, weil die die Zuschauer besser im Spiel partizipieren können.
„Was, außer guter Musik braucht ein Kinderkonzert noch?“ fragen die Musikwissenschaftlerinnen Elena Ungeheuer und Constanze Wimmer. „Vor allem Rituale“ ist die Antwort. Die Programmgestaltung und -durchführung ermöglicht wie im Regietheater Emotionalisierung, Identifikationsangebote, die dramaturgisch über Lichteffekte und schauspielerische Performance verstärkt werden. Mediensozialisierte Kinder von heute verstehen Geschichten schneller über Bilder als nur über Hören. Bei Erwachsenen gibt es diesbezüglich schon Gegenbewegungen Richtung pures Klangerlebnis, Kinder wollen dagegen mit allen Sinnen erleben, weshalb sich für multimediale Projekte mehr zu begeistern sind als für ein reines Konzert.
„Musiktheater für Kinder zwischen Bühne und Bildung“ setzt sich mit theaterpädagogischen Konzepten mit Schwerpunkt partizipativer Projekte auseinander. „Den Knopf drücken, damit der Saal tobt…“ genügt allerdings nicht. Zwar sind für Theaterwissenschaftlerin Bettina Brandl-Risi Mitmachelemente selbstverständlich, das beginnt beim Ritual Klatschen und weitet sich bis zum Mitsingen, doch nicht zwanghaft auf Kommando wie in Spielshows, sondern freiwillig. Die Kinder bestimmen, inwiefern sie mitmachen wollen.
Oper und Konzerte bereits als Kind zu entdecken, ist auf jeden Fall eine große Bereicherung.
Komische Oper Berlin (Hg): Oper jung! Musiktheater für Kinder zwischen Bühne und Bildung, Henschel Verlag, Leipzig 2018, 128 S