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Berlin – Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ als schrille Parodie in der Komischen Oper 

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Berlin – Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ als schrille Parodie in der Komischen Oper 

©Komische Oper Berlin, 2021, Andrea Roeber

Wie animierte Comic-Figuren trippeln Orpheus und Eurydike über die Bühne, für die Rufus Didwiszus zusammen mit Kostümbildnerin Victoria Behr märchenhaft skurrile Szenarien schafft. Genauso unnatürlich hören sich die unterlegten Dialoge an, denen Max Hopp seine tiefe Stimme als zusätzliches satirisches Verfremdungsmoment leiht. Wie in „Tom und Jerry“ die Bratpfanne wird Orpheus Geige zum Wurfgeschoss und mehrere Dutzend Geigen scheppern aus dem Schrank. Max Hopp als John Styx, leidenschaftlich in Eurydike verliebter Diener Plutos erntet für seine schauspielerischen Eskapaden viel Gelächter und den heftigsten Schlussapplaus. Wenn Peter Bording sich als Jupiter in eine Fliege verwandelt erscheint, summend und flirrend erotische Energie verbreitet, ist das szenisch durchaus eine Meisterleistung, genauso wobeiSydney Mancasola in den Koloraturen Eurydikes das Spektrum erotischer Leidenschaften herrlich erfrischend parodiert, aber Offenbachs Musik wird durch diese überdrehten Spielpassagen völlig unterminiert.

Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" an der Komischen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Komische Oper Berlin, 2021, Andrea Roeber

Schade, denn Offenbach bringt gerade mit seiner Version vom Orpheus-Mythos schon 1858 ein neues Rollenverständnis der Frau auf die Bühne. Eurydike befreit sich aus der Rolle Muse des Künstlers oder Gespielin der Götter zu sein. Sie geht ihren eigenen Weg, lässt die Gefängnisse der Alltäglichkeit und der Hölle hinter sich, beides in dieser Inszenierung grau in grau, und findet als Bacchantin das Lebensgefühl, das sie sucht, so dass die Operette eigentlich „Eurydike in der Unterwelt“ heißen müsste. Im Rahmen von Koskys Satire ist ihre Fixierung auf eine genuss- und sexsüchtige Diva durchaus stimmig.

Offenbachs "Orpheus in der Unterwelt" an der Komischen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Komische Oper Berlin, 2021, Andrea Roeber

Während der Himmel am Ende des zweiten Bildes vor Langeweile zu schlafen beginnt, geht nach der Pause in der Hölle die Post ab. Allerdings wird erst im vierten Bild beim Fest der Götter in der Unterwelt der Rausch von Offenbachs Musik vor grandioser Kulisse zum mitreißenden Erlebnis. Ein riesiges Fackelrad dreht sich von einem ebenso gigantischen Teufel pedaliert. Unter der musikalischen Leitung von Josep Gil finden am Silvesterabend SängerInnen, Chor und Orchester als Gegenpol zur schrillen Inszenierung eine wunderbare Balance. Die Rhythmik wird selbst bei den Cancans nie zum marktschreierischen Gassenhauer, sondern fetzig rhythmisiert durch Feuerwerksknaller witzig akzentuiert. Nadine Weissmann bleibt als Cupido im Himmel noch distinguiert, dreht aber in der Hölle temperamentvoll auf umschmeichelt von sehr sympathisch wirkenden Teufelchen. Die Unterwelt verliert ihren Schrecken. Das Licht flammt nicht höllisch rot, sondern transformiert warm durchsonnt und lebensfroh in das Reich der Bachantinnen. Koskys „Orpheus in der Unterwelt“ passt als Gute-Laune-Abend in das Programm der Komischen Oper. Man versteht, dass diese Koproduktion mit der Deutschen Oper am Rhein im Rahmen der Salzburger Festspiele 2019 teilweise auch  kritisiert wurde. Ab 2022 kommt „Orpheus in der Unterwelt“ auf den Spielplan der Kölner Oper. 

Künstlerisches Team: Josep Gil (Musikalische Leitung), Barrie Kosky (Regie), Esteban Muñez (szenischen Neueinstudierung), Otto Pichler (Choreographie), Rufus Didwiszus (Bühne), Victoria Behr (Kostüme), Susanna Goldberg (Dramaturgie), Jean-Christophe Charron (Chor), Franck Evin (Licht)

In den Hauptrollen: Tansel Akzeybek (Orpheus), Sydney Mancasola (Eurydike), Hagen Matzeit (Die öffentliche Meinung), Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Pluto), Max Hopp (John Styx) Peter Bording (Jupiter), Karolina Gumos (Juno), Heidi Elisabeth Meier (Venus), Alma Sadé (Diana), Nadine Weissmann (Cupido), Peter Renz (Merkur), Tim Dietrich (Mars)