"Kultur macht glücklich"


Berlin – Mark-Anthony Turnages Oper „Greek“ auf dem Parkdeck der Deutschen Oper

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Berlin – Mark-Anthony Turnages Oper „Greek“ auf dem Parkdeck der Deutschen Oper

©Deutsche Oper Berlin, Eike Walkenhorst

Muss man sich das antun? Schnell verflüchtigt sich der Gedanke. Denn Musik, Inszenierung, die klangvollen Stimmen ziehen sehr schnell in ihren Bann. Endlich ist einmal das Orchester über der Bühne im Mittelpunkt des Geschehens. Mit Verve, sehr dynamisch mit tänzerischer Grazie und kraftvoller Präzision von der neuen Kapellmeisterin Yi-Chen Lin dirigiert entfaltet sich die Energie dieser Komposition, eine flotte Mischung aus moderner Klassik, Jazz, Big Band, Rock, mitunter eine krachende Percussion a la Stomp mit Schlagstöcken auf Bleche. Aber Yi Chen Lin beherrscht die Kunst, diese Mixtur, selbst die Trommel-Staccatos nie scheppern zu lassen, sondern in den schräg lauten Tonalitäten den Wehklang gequälter Menschen hörbar zu machen. Ungemein subtil, aus dem Piano heraus bleibt das tonale Anschwellen immer im interessanten Wohlfühlbereich des Hörens, entwickeln sich mitreißende Spannungsbögen und flirrend lange Töne. 

Der sympathischen Ausstrahlung und den smarten Stimmen der vier ProtagonistInnen ist es geschuldet, dass auch Pınar Karabuluts extrem schriller Regiestil, für den sie derzeit sehr gehypt wird, eine charmant witzige Oberflächenstruktur bekommt, worunter die amerikanische Comedy grell aufleuchtet. Zwischen Bühnentreppen und Catway, der weit in die Zuschauerreihen hineinreicht, und revuemäßigen Lichteffekten entsteht Showtime. Ein paar Plastikstühle und Pappkulissen genügen als Requisiten, denn durch die kitschig anspielungsreichen Comic-Kostümierungen und das parodistisch ausgestellte Spiel, nicht zuletzt durch die vulgären Formulierungen des Librettos entzündet sich ein Feuerwerk seichter Lacher.

Eddy ist ein Ödipus unserer Tage. Als ein Ausflugsdampfer auf eine Mine auflief und sank, trieb er zwei Jahre alt mit seinem ölverschmierten Teddybär im Meer und wurde von einem Ehepaar gerettet und adoptiert. Alles wäre ganz normal verlaufen, hätte nicht eine Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt Eddy Vatermord und Inzest prophezeit. Eddy entschied sich endlich sein miefiges Elternhaus zu verlassen, wird in eine brodelnde Welt gestoßen, in der er „nur ein kleiner Punkt ist“. Er ist ein Antiheld der Straße, der sich hinter Verbalschlachten verschanzt. In einem Café boxt er den Vater wegen eines „Cheesecake“ zu Tode und entflammt sich für seine Witwe, seine Mutter wie sich herausstellt. Die Sphinxen, es sind zwei besingen die Lächerlichkeit der Männer und, obwohl nochmals verdoppelt, gelingt es Eddy das  Rätsel des Sphinx-Quartetts in rostrote Plastikschlangen gehüllt, zu lösen und gleichzeitig die überzogenen feministischen Parolen der Lächerlichkeit preiszugeben.

Opernkritik "Greek" an der Deutschen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Deutsche Oper Berlin, Eike Walkenhorst

Das alles ist an Banalität kaum noch zu überbieten, kolportiert aber nicht nur Seichtheit der Unterhaltungsgenres der 1980er Jahre, sondern auch die grenzenlose Vergnügungssucht unserer Tage. Nein, dieser Eddy blendet sich nicht. Er überlebt seine Schicksalsschläge. Quietschfidel erwacht er nach dem Schock der Erkenntnis, um sich mit seiner Traumfrau weiterhin zu vergnügen. Letztendlich zählt nur die Liebe, das Aneinanderfesthalten, so die Botschaft. 

Sie verkündet der amerikanische Bariton Dean Murphy  überaus klangvoll. Irene Roberts, seine Frau,  zieht mit starker Musicalausrichtung und mädchenhafter Liebreiz nicht nur Eddy in ihren Bann.

Opernkritik "Greek" an der Deutschen Oper Berlin präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Deutsche Oper Berlin, Eike Walkenhorst

Seth Carico und Heidi Stober  agieren durch die kleineren Rollen als leibliche Eltern mehr schauspielerisch als sängerisch.

Gemessen an der Inszenierung von George Enescus „Œdipe“ in der Komischen Oper ist „Greek“ allerdings nur ein spaßiges Leichtgewicht. 

 

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©Michaela Schabel

Künstlerisches Team: Yi-Chen LIn (Musikalische Leitung), Pınar Karabulut (Inszenierung), Neil Barry Moss (Spielleitung) Michela Flück (Bühne), Teresa Vergho (Kostüme), Dorothea Hartmann (Dramaturgie) 

Es singen: Dean Murphy (Eddy), Irene Roberts (seine Frau, Kellnerin 1,  Sphinx 2), Seth Carico (Adoptivvater Kaffeehausbesitzer, Polizeihauptmann), Heidi Stober (Adoptivmutter, Kellnerin 2, Sphinx 1)