©Nikolay Lund 2021
Die französischen Musiker Boris Borgolotto (Geige) und Marc Girard Garcia (Cello) sind Jugendfreunde. Der Dritte im Bunde ist der amerikanische Pianist Jan Barber. Als sie ihn kennenlernten, war es nur noch ein kleiner Schritt zur Gründung des Trio Zadig, ein ungewöhnlicher Name, wohl nur Voltaire-Liebhabern bekannt. Zadig ist eine von Voltaires Romanfiguren und steht für Wahrhaftigkeit.
Und gerade wegen ihrer „wahrhaftigen“, authentisch gefühlten und realisierten Interpretationen wurde das Trio Zadig innerhalb weniger Jahre sehr erfolgreich, wie etliche Auszeichnungen bezeugen.
Nach dem Album „Something in Between“ (2019) als Hommage an die französischen und amerikanischen Wurzeln des Trios erschien in diesem Jahr „Hommage an Saint-Saëns“ anlässlich des 100. Todestages des Komponisten (1835-1921). In Frankreich galt Camille Saint-Saëns in den 1880er Jahren als der größte Komponist des Landes, geriet aber später in die Schusslinie zu konservativ und altmodisch zu sein, weshalb sein Ruhm nach seinem Tod schnell verblasste.
Das Trio Zadig beleuchtet in seiner „Hommage à Saint-Saëns“ zwei Facetten des französischen Musikers, den Komponisten und den transkribierenden Wissenschaftler. Präsentiert werden Saint-Saëns‘ Piano Trio Nr.2 in E minor, op 92 und seine Bearbeitungen von Jean-Philippe Rameaus (1683-1764) 1. und 5. Klavierkonzert und Franz Liszts (1811-1885) „Orpheus“ S.98.
Mit phänomenalem Drive entdeckt das Trio Zadig Saint-Saëns. Wie ein orchestraler Rausch melancholischer Sehnsucht beginnt die CD mit dem Klaviertrio Nr.2. Faszinierend kristallisieren sich die Klanglinien der drei Instrumente heraus. Gleich zu Beginn jagt die Geige himmelswärts, vibriert das Cello in der Tiefe, das Klavier akzentuiert akkordisch. Zwischen durchglühter Innigkeit und tobender Leidenschaft entwickelt sich eine narrative Fieberkurve, die immer noch einmal mehr ein Stück rasanter ausschlägt und allen drei Instrumenten Raum gibt ihren wunderbaren Klang zu entfalten. Wahnsinnig schnelle Klavierläufe trumpfen auf, um in einem tiefen Akkord zu versinken. Im Allegretto wird der Duktus annähernder, verspielter, vertrauter und im Andante entwickelt sich eine zauberhafte Innigkeit, die immer wieder, wie in einem Tanz zu dritt, einhält, jedes Instrument eigene Drehungen, Wendungen, rhythmische Phrasierungen und emotionale Klangqualitäten entfalten lässt. Im „Graziosio poco“ eilt unter den dominanten Strichen des Cellos die Geige kapriziös voraus, um von dunklen Tönen eingefangen zu werden. während das Klavier die trippelnde Schritt hörbar macht. Das abschließende Allegro erzählt die Geschichte einer Annäherung über wilde Diskurse und Verdunklungen, extreme Höhen, markante Pausen und schmeichelnden Schmelz zu einem, unerwartet emotional unentschiedenen Ende.
Von einer ganz anderen Seite zeigt sich das Trio Zadig bei Rameaus Klavierstücken. Barock leuchtet in zauberhaften Phrasierungen zwischen kindlicher Fröhlichkeit und kecker Verspieltheit auf, in ungewohnt melancholischen Carpe-Diem-Stimmungen und orgiastisch pulsierenden Staccatos.
Der Abschluss mit Liszt verzaubert mit innigsten Liebesgefühlen bis in die höchsten Lagen von der Violine hauchzart interpretiert, mit dem Cello sanft geerdet. Alternierend entwickelt sich ein zutiefst berührender Liebesdialog, vom Klavier subtil umspielt, überraschend vom Cello dunkel zersägt und sich in erotischem Flirren hoch dramatisch wieder findend, um elegisch in einem gemeinsam lang gehaltenen Ton auszuhauchen.
©Nikolay Lund 2021
Das sind Interpretationen, mit denen das Trio Zadig die Leidenschaftlichkeit und Dynamik von Camille Saint-Saëns‘ Kompositionen und Bearbeitungen „wahrhaftig“ neu entdeckt. Es ist gleichzeitig eine Reise durch Zeit und Raum einer Musik, die selten zu hören ist und dennoch und gerade deshalb sehr berührt.