Berlin – Boulezsaal – Radu Lupu

Michaela Schabel berichtet für schabel-kultur-blog.de über das Konzert von Radu Lupu in Berlin im Boulezsaal

Robert Schumann schrieb einst über Franz Schuberts Kompositionen: „Er hat Töne für die feinsten Empfindungen, Gedanken, ja Begebenheiten und Lebenszustände“. Genau dieser Satz gilt auch für Radu Lupus Interpretationen. Er entdeckt Franz Schuberts Klangwelt und zarteste Klangfarben.

Aufrecht, mit stoischer Gelassenheit, wuchtig wie ein erratischer Block, ganz verinnerlicht  sitzt Radu Lupu vor dem Flügel, nur gelegentlich eine kleine Bewegung des Kopfes, ganz unspektakulär das Spiel der Hände. Er nimmt sich ganz zurück, scheint fast in einem meditativen Zustand entrückt zu sein. Allein die Musik soll im Mittelpunkt stehen. Die Eleganz, das Zartgefühl, der Wechsel der Stimmungen, der Tiefgang seines Spieles sind hinreißend.

Michaela Schabel berichtet für schabel-kultur-blog.de über das Konzert von Radu Lupu in Berlin im Boulezsaal

Dramaturgisch bestens arrangiert beginnt er das Konzert im Boulezsaal mit Schuberts „Moments musicaux D 780 (1823-28). Es sind sechs Miniaturen mit unterschiedlichsten Stimmungen, ein neues Musikformat, von Franz Schubert in der Wende von Klassik zur Romantik kreiert. Schon diese kleine Stücke lassen staunen, welch großen Klangkosmos sie unter Radu Lupus Händen entfalten.

Mit Schuberts Sonate a-moll D 784 (1823) weitet sich das Format. Doch wirkt diese Sonate im Vergleich zu anderen lakonisch. Umso eindrucksvoller wirken die Kontraste zwischen wilden und lyrischen Passagen, die Radu Lupu in ihrer Vielschichtigkeit hörbar macht. Furios jagen die Läufe das Tonspektrum hinauf und hinunter, verwandeln sich wie in einem Glasperlenspiel in zarte Töne, dazwischen die Pausen als Ruhepol, um danach noch in  wilderen Läufen in einem Irrsinnstempo über das ganze Tonregister hinwegzurasen.

Das tritt noch wirkungsvoller und dynamischer bei der Sonate A-Dur D 959  in den Vordergrund, das vorletzte Werk, dass Franz Schuberts in seinem Lebensjahr, 1828  komponierte. Diese Sonate drückt noch einmal eine ungeheure Lebensfreude, durchwirkt von Melancholie und Leidenschaftlichkeit  aus, wirkt schlicht, liedhaft melodiös. Radu Lupu gibt  jeden Ton Raum, entfaltet Töne wie Blüten, vernetzt sie in brillanten Läufen, wuchtigen Akkorden, komplexen Klangschichten, die wellenförmig anschwellen und ausrollen. Im „Andantino“ wirken die lyrischen Töne wie Balsam auf Leidenschaftlichkeit der Läufe. Im „Scherzo“ mit seinen kontrapunktorischen Raffinessen im Dreivierteltakt lässt Radu Lupu die Töne regelrecht auflachen. Das Rondo baut Radu Lupu zum großen Finale auf, immer wieder durch Pausen eingebremst, um aus der Stille die nächste Tonalität erblühen zu lassen.

Das Publikum wusste diesen Abend zu würdigen. Sechs Mal wurde Radu Lupu, immer noch ganz in seiner Welt, in den Pierre-Boulez-Saal zurückgeklatscht. Dann blickte er auch er kurz in die Runde und seine Verbeugung war ein klein wenig tiefer.

Das nächste Konzert mit Radu Lupu im Boulez-Saal ist am 19. April 2019.

Michaela Schabel