„Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“

"Wagner. Bayreuth und der Rest der Welt" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Filmwelt Verleihagentur

Aus der Vogelperspektive fokussiert die Kamera auf den Musentempel als Nabel der Welt, zu dem die Wagnerianer jedes Jahr aufs Neue pilgern. 2200 Karten werden jeweils bei den 30 Vorstellungen verkauft. Bei derart begrenztem Angebot verwundern die Preise nicht, gibt es doch schon allein 125 Wagnervereine mit insgesamt 30 000 Mitgliedern. Wagner huldigt dem Kult des Exklusiven und entsprechend stolz blättert Hotelwirtin Eva Graf vom „Goldenen Anker“ in ihrem Gästebuch, dessen Aufbewahrung im Safe den Wert für die Gastgeber spiegelt. 

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Doch warum Wagners Musik so einmalig ist, bleibt trotz einiger Einzelaussagen bezüglich Harmonien und Visionen nebulös. „Zu Tränen gerührt ist man“ von Wagners Musik. Manche Fans fühlen sich wie „Heavy Metal am Ende der Klassik“, andere „wie im Himmel“, wie das die immer gleichen Musikeinspielungen beweisen wollen. Ebensowenig erfährt man von Wagners Person. Man geht davon aus, dass Wagnerianer das selbstverständlich wissen und andere werden sich diesen Film ohnehin kaum anschauen. 

Umso stärker wird die Bedeutsamkeit Bayreuths ironisch stilisiert. Nicht nur die Musik ist fulminant, auch die Körperlichkeit vieler KünstlerInnen und Fans, zumindest rund um Bayreuth, was womöglich an den hervorragenden fränkischen Würsten liegen mag, die immer wieder plakativ in Großaufnahme eingeblendet werden. Bayreuth sonnt sich vier Wochen lang im Rahmen der Festspiele weltweit von Bedeutung zu sein. Die Familien rücken zusammen, damit die Gäste im Haus logieren können. Grandios überzogen präsentiert der Film die nächtliche Ausfahrt der Limousinen, die selbst das Spektakel der Salzburger Festspiele übertrumpft.

Im Grunde basiert der ganze Film auf emotionalen Statements über Wagners geniale Musik. Um den Rest der Welt müssen sich Wagnerianer nicht kümmern. Sie pilgern ohnehin nach Bayreuth und die KünstlerInnen fühlen sich geehrt singen, dirigieren und Regie führen zu dürfen.

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Sie wirken allesamt bescheiden und glücklich den Wagnerfestspielen zu dienen, allen voran Katharina Wagner, die unspektakulär hinter den Kulissen unermüdlich dafür sorgt, dass alles funktioniert und für die 10 Stunden Proben für die SängerInnen hintereinander selbstverständlich sind. 

Wagner leuchtet hinaus in den Rest der Welt. Wenn GospelsängerInnen Wagner singen wird die Dokumentation interessant. Durch ihr besonderes Timbre bekommen Wagners Arien eine ungewohnt erlebte Tiefe. Als Kammermusik unter blühenden Kirschblüten in Japan präsentiert wirkt Wagner nur als matter Abglanz genauso wie Wagner beim sterilen Abu-Dhabi- Musikfestival oder als 1-stündiger Mini-Parzifal für Kinder in Tokio.

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Umso mehr lockt Bayreuth, der Sehnsuchtsort aller Wagnerianer. Doch der Film unterstreicht dieses Image nicht durch glanzvolle Szenenausschnitte, sondern setzt mit Yuval Sharons „Lohengrin“-Märchen in Blau und Barrie Koskys Inszenierung der „Nürnberger Meistersinger“, bei der er Wagner vom Heldensockel stürzte, sehr kritische Akzente. Dirigent und Wagnerspezialist Christian Thielemann darf hemdsärmelig ungewöhnlich jovial und sympathisch die akustischen Besonderheiten dieses einzigartigen Orchestergrabens unter der Bühne erklären.

Dokumentarisch interessant sind die Passagen, die Wagners antisemitische Haltung thematisieren. Der jüdische Rechtsanwalt und Wagnerfan Jonathan Livny bringt es auf den Punkt. Man muss die Musik von „der scheußlichen Person Wagner“ und ihrer Inanspruchnahme durch die Nazis trennen. Dazu passt bestens die historische Sequenz, als Hitler aus dem Opernhaus winkt und die Wagerianer ihm zujubeln. Das ist Geschichte. Wagners Musik ist geblieben. Längst sind die Zeiten vorbei, als Daniel Barenboim bei seiner ersten Wagner-Interpretation in Israel ausgebuht wurde. Wagners Musik drängt seine antisemitische Haltung in den Hintergrund. Noch einmal erstrahlt im Finale das beleuchtete Opernhaus in der Abenddämmerung, doch die letzte Einstellung ist nicht Lichterglanz, sondern die absolute Verdunklung. „Götterdämmerung“ eben und für die Prominenz ein begehrter Treffpunkt und Fototermin.

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Stab: Jörg und Moritz Bundschuh (Produktion), Axel Brüggemann (Drehbuch, Regie), Roland Wagner und Ralf Richter (Kamera)