Ridley Scotts „House of Gucci“

Filmkritik "The House of Gucci" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©2021 Metro-Goldwyn-Mayer

Was dem Film trotzdem einen spannenden Zauber verleiht, sind die SchauspielerInnen, jeder für sich ein Charakterdarsteller der eigenen Hilflosigkeit, woraus sich ein Panoptikum von abgewrackten Individualisten ergibt.

Der Familienclan bleibt, was er immer schon war, taktischer Nahkampf, den Lady Gaga als Tochter Patrizia des mittelständischen Fuhrunternehmers Reggiani ganz sexy zu befeuern weiß. Mit den Waffen einer Frau schleicht sie sich in das Gucci-Imperium, als der Zufall ihr die Chance gibt den Erben Maurizio kennenzulernen. Sie kann einen Klimt nicht von einem Picasso unterscheiden, liest nicht, weil es sie langweilt, aber wo sie geht und steht, ist sie wegen ihrer zu engen Kostüme und ihres aufreizenden Ganges immer der erotische Mittelpunkt, auf den die Männer fliegen.

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Nur Maurizios Vater Rodolfo, mit Jeremy Irons ein einsamer alter Mann mit Grandezza, der der Vergangenheit nachtrauert, Expansionen Richtung Asien und Malls ablehnt und damit die Entwicklung der Firma blockiert, durchschaut die wahren Absichten dieser „Sorte von Frau“ sofort. Sein Sohn Maurizio, mit Adam Driver ein ästhetischer Feingeist mit Noblesse, für einen Jurastudenten ein erstaunlich simpel gestrickter, lebensfroher Sunnyboy ist Patrizias Nachstellungen allerdings schutzlos ausgeliefert. Er lächelt durch den Film, wenn er nicht gerade einmal „kurz nachdenken muss.“

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Er „liebt sie, wie sie ist“. Gewohnt, zu tun, was ihm gefällt, zieht er bei Patrizias Eltern ein. Er fühlt sich wohl in der  robusten Welt zwischen LKW-Fahrern, wo er wegen seiner Sportlichkeit sofort anerkannt wird und echte Kumpel erlebt. Vom Sex auf dem Bürotisch geht es direkt zum Traualtar.

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Doch mit der Integration in den Gucci-Clan, von Onkel Aldo raffiniert eingefädelt, entpuppt sich der Beginn vom Ende und die Hohlheit dieser Märchenliebe.

Elegant und süffisant, im malerischen, für Produzent und Regisseur Ridley Scott so typischen Umfeld torpediert er mit parodistischer Personenregie den Gucci-Clan und seinen Jetset-Lifestyle. Rodolfos Bruder Aldo wird mit Al Pacino zum gierigen Strippenzieher, der über Patrizia Maurizio wieder in das Unternehmen einbindet, mit erfundener Familiengeschichte inklusive gediegenem Werteimage das Gucci-Label auf Niveau hält, aber gleichzeitig durch Imitationen die Nachfrage nach Gucci in der breiten Masse beflügelt und mit den Japanern verhandelt. Er stolpert, wie könnte es anders sein, über Steuerhinterziehungen, nicht zuletzt  über seinen Sohn Paolo, einen „Idioten“ mit Null Geschmack und Null Hirn, ein sich selbst bemitleidendes Weichei, mit Jared Leto ein Loser von der sympathischen Art in der Optik eines Clowns, bei dem Patrizia leichtes Spiel hat.

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Erst im Elend rücken Vater und Sohn zusammen, mit die einzig tiefer greifende Szene in diesem Opus der Oberflächlichkeit. 

Wie eine Spinne spannt Patrizia ihre Netze aus und beseitigt die, die im Weg stehen, doch schneller als gedacht wird sie durch ihren eigenen Mann, der sich plötzlich in der Rolle eines Gucci gefällt, selbst aus dem Clan hinauskomplementiert. Jeder aus dem Gucci-Clan bekommt sein Fett weg. Man betrügt und wird betrogen. Der Mythos vom soliden Familienbetrieb platzt wie eine Seifenblase. 

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Es sind die Blicke und Sätze, die wie Messer Wunden schneiden, die nicht mehr heilen, als Patrizia zur gierigen Gucci wird und in Folge Maurizio als Gucci-Erbe der Macht des Imperiums erliegt.

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©2021 Metro-Goldwyn-Mayer

Das Karussell der Intrigen beschleunigt sich, als mit dem Tod von Guggi-Boss Rodolfo Maurizio die Nachfolge übernimmt.  Aalglatt, aber sehr charmant dreht er sein Leben von einem Tag auf den anderen um 180 Grad, inklusive einer  neuen Geliebten (Camille Cottin) und eines verschwendungssüchtigen Lebensstils.

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Maurizios Geschenkgutschein für Patrizia zu Weihnachten signalisiert das Aus einer Liebe, die nur ein hedonistisches erotisches Kribbeln war, einer Vaterschaft, die mit 14-tägigen Besuchen und ökonomischer Versorgung glaubt das Beste zu tun. 

Patrizia verwandelt sich zur Furie und degradiert sich selbst auf das Niveau ihrer halbseidenen Wahrsagerin und deren Verbindung zu unprofessionellen Profikillern, während das House of Gucci auf das „Niveau einer billigen Operette“ abrutscht.

Tom Ford, texanischer Designer, raffiniert eingeschleust vom eigentlichen Strippenzieher im Hintergrund, dem langjährigen Diener Domenico del Sole (Jack Huston), erfindet Gucci neu. Aber hinter den Kulissen stimmen die Zahlen wegen Maurizios  Verschwendungssucht nicht. Seine Ermordung kommt gerade zur rechten Zeit, um mit Dominik an der Spitze das Gucci-Investorenimperium ohne die Guccis aufzumöbeln. Trotz Auftragsmord und Verurteilung Patrizias ergibt sich selbst am Schluss keine Tragödie. Dazu fehlt die Fallhöhe in diesem egomanischen, sich selbst zerfleischenden Glamour-Gucci-Clan. Genau das macht den Film sehenswert.