„Merkel – Macht der Freiheit“

Filmkritik "Merkel - die Macht der Freiheit" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

Der Film beginnt mit Merkel im himmelblauen Jackett, als sie 2019 mit „The Medal of Freedom“ im Rosengarten des Weißen Hauses geehrt wurde, ihr „wichtigster Preis jenseits aller Vorstellungen“. Sie spricht von dem eingemauerten Lebensgefühl in der DDR, das ihr aber die innere Freiheit nicht nehmen konnte. Schnitt. Die nächste Szene zeigt Trump, der eine Mauer errichtet und Merkel beschuldigt Deutschland zu zerstören. Damit fokussiert bereits der Vorspann gekonnt auf Merkels Vision der Freiheit. Von ihrer Ernennung zur Ministerin (1994) bis zu ihrer offiziellen Verabschiedung aus dem Amt der Bundeskanzlerin (2021) kreist der Film in erster Linie um den Aspekt der Freiheit und verwandelt sich dabei in eine außerordentlich wohlwollende Hommage für das Lebenswerk der Kanzlerin, ohne die „Macht der Freiheit“ in Frage zu stellen. 

Durch die besten Sequenzen aus unterschiedlichsten Interviews wirkt Merkel konträr zu ihrem bislang wahrzunehmenden Image ausgesprochen gesprächig, eloquent, witzig. So strahlend, offen hat man sie nicht in Erinnerung. Mit viel Empathie entlang von Ralph Bollmanns Merkel-Biografie, gewürzt mit sympathischen Privateinblicken, beispielsweise als Bardame bei den studentischen Discoabenden, neben Hillary Clinton, beide  die Hände zur Merkel-Raute geformt, gewinnt Merkel Sympathiepunkte und Vorbildwirkung.

Der Film erklärt Merkels Wirken sehr aus ihrer Sozialisation. Sie hatte mit 30 Jahren die Chance, wovon sie kaum zu träumen wagte. „Wo bislang eine dunkle Wand alles versperrte, war plötzlich eine Tür.“ Von einem Tag auf den anderen wurde sie aus ihrer „uckermärkischen Verstocktheit“ herausgerissen. Immer angepasst, konnte sie plötzlich frei entscheiden und ihr Leben ganz neu aufstellen. Sie ließ die Naturwissenschaften hinter sich und wechselte in die Politik, weil sie etwas verändern wollte und konnte.

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Es war ein „Aufbruch zur Freiheit“, nicht zur Macht. Doch die „Macht der Freiheit“ machte sie mächtig mit langfristigen Nachbeben durch kurzfristige Ad-Hoc-Entscheidungen in der Energie- und EG-Politik, durch russische und chinesische Handelsabhängigkeiten, Themen, die in dieser Merkel-Hommage nur knapp erwähnt werden oder ganz ausgespart bleiben. Nur die Migrationspolitik bekommt Raum zugunsten der Kanzlerin. Sie wollte nicht dafür verantwortlich sein Grenzen zu schaffen und etablierte eine Willkommenskultur. Durch „Merkel muss weg“-Banderolen und die verbal radikalen, an die Nazi erinnernden Bedrohungen Gauweilers (AFD) „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen“ wird ihr legendärer Satz, „dann ist das nicht mehr mein Land“, verständlich.

Durch eine gelungene Schnitttechnik aus medialen Dokumentationen und Westernauszügen aus „Law and Order“ wird der Moment, als Merkel Kohl politisch in die Enge treibt und mutig gegen männliche Seilschaften auftritt, dramaturgisch parodistisch in Szene gesetzt. Jetzt kann sie mit den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, dem Sehnsuchtsland ihrer Jugend, verhandeln. Glücklich lächelt sie immer wieder an der Seite Obamas. Er selbst erwähnt sie allerdings in seiner fast tausendseitigen Autobiografie nur in einem Satz. Er erinnert sich an „ihre blauen Augen, in denen ihre Emotionen blitzschnell wechselten und an ihre Mimik, gewohnt immer Unangenehmes in Angriff nehmen zu müssen (siehe Buchrezension vom 12.12.2020).

Interessant wäre der Blick auf Merkels Beziehung zu Putin, doch der bleibt auf die medial bereits reichlich dargestellte Hundeangst Merkels beschränkt. Als Schröders Freund kompromittierte Putin dessen Konkurrentin Merkel wie ein Schulmädchen. Zuerst schenkte er ihr einen Stoffhund, dann begrüßte er sie mit seiner Labradorhündin. Im Film bekommt Merkel die Möglichkeit taff Stellung zu nehmen. „Klar, eine Bundeskanzlerin muss mit einem Hund fertigwerden“. 

Was Merkel aber in der höchsten Etage der Mächtigen im Gruppenbild mit Dame, stets herzlich umarmt, zuweilen mit Küsschen auf die Wange begrüßt, tatsächlich zum Unikat machte, ist ihre persönliche Integrität ohne irgendwelche Allüren. Vier Amtsperioden regierte sie ohne Skandale, ohne persönliche Bereicherungen, ohne Clans im Hintergrund, sieht man vom ökonomischen Lobbyismus ab. Als „Erste Angestellte des Landes“, als „Dienerin des Volkes“ will sie in die deutsche Geschichte eingehen.

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Mit einem ihrer Lieblingssongs „Mit 16 sagte ich still, ich will alles oder nichts. Für mich soll´s rote Rosen regnen…“ endete ihre Amtszeit und klingt diese smarte Filmproduktion aus. Das allerletzte Wort erhält die Mutter. „Angela konnte sich als Kind nicht wehren.“ Aber auch das lernte Merkel genauso wie die gekonnte Imagepflege danach.

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„Merkel – Macht der Freiheit“ ist  ab 24. November 2022  in den deutschen Kinos zu sehen.