Magarethe von Trottas „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ – klug konzipiert, exzellent gespielt

Filmkritik Magarethe von Trottas „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Wolfgang Ennenbach

Die Wüste wird zur gegensätzlichen Metapher für das Abtauchen an die Grenzen des psychischen Knock-Downs durch Bachmanns außerordentlichen Lebens-, Denk- und Formulierungsanspruch und offeriert sich als Ort der Genesung. Verzweiflung wandelt sich in Hoffnung, Ausgelaugtsein in neue Lebensenergie. Diese Achterbahn der Gefühle lebt sie nicht alleine aus sich, sondern in der Beziehung zu Menschen. 

So gelingt Margarethe von Trotta im Dialog mit den DarstellerInnen ein überaus subtiler und facettenreicher Film, in dem sich das Leben Ingeborg Bachmanns zur Parabel über den Faschismus in menschlichen Beziehungen weitet, der sich in der Rollenbesetzung zwischen Mann und Frau, den damit alltäglichen verbalen Attacken und Gefühlsrohheiten offeriert. 

Ganz bewusst castete Margarethe von Trotta Vicky Krieps für die Titelrolle, „weil sie so wunderbar lächeln kann. Das macht ihr so schnell keiner nach.“ Mit diesem Lächeln, in ausgewählt schönen Kleidern vermittelt Vicky Krieps Ingeborg Bachmanns charismatische Wirkung auf ihre Zuhörer, aber vor allem auf die Männer, die ihr zu Füßen lagen, im Film insbesondere der Komponist Hans Werner Henze, der ihre Gedichte vertonte und der kreative Allrounder Adolf Opel, der ihr die Reise in die Wüste anbietet. 

Die große Liebe zwischen Max Frisch und Ingeborg Bachmann bekommt schnell Risse, als sie in der Schweiz zusammen wohnen. Während er durch sie wieder seine Schaffenskraft gewinnt, verliert sie ihre Kreativität und hinterfragt immer mehr die Worte, die sie schreibt. Als sie sein Tagebuch verbrennt, hält er Ausschau nach einer neuen Muse. 

Den ausführlichen Briefwechsel zwischen Max Frisch und Ingeborg Bachmann, der erst im vergangenen Herbst nach 20 Jahren freigegeben werden durfte, und derzeit vom Suhrkamp Verlag aufgearbeitet wird, konnte Margarethe von Trotta nicht einsehen. 

Im Film kommt Max Frisch nicht allzu gut weg. Ronald Zehrfeld zeichnet ihn zwar mit sehr sympathischer Aura, mit strahlendem Blick, doch auch mit dem typischen Machoverhalten seiner Generation, in dem die Frauen in erster Linie als Statussymbole gesehen wurden und für die häusliche Atmosphäre verantwortlich waren. Er agiert pragmatisch, will lieber ein „anständiges Abendessen als einen Strauß Rosen“, notiert Situationen fleißig in sein Tagebuch, wirft ihr Selbstinszenierung vor, was ihn zur zweiten Geige degradiert. Als Autor ist er aus Ingeborg Bachmanns Perspektive ein „unbekümmerter“ Schreiber, der sie als Muse missbraucht. „Meine Hörigkeit ist aufgebraucht“ und trotzdem reagiert sie verletzt, verkraftet sie es nicht, dass eine andere ihre Position übernimmt. So spiegelt sich in Ingeborg Bachmanns Leben trotz aller Emanzipation die Verletztlichkeit, wenn man verlassen wird. Arg viel hat sich diesbezüglich auch heute nicht geändert. 

Die Botschaft des Films geht mit Ingeborg Bachmanns Erkenntnis allerdings nicht Richtung Emanzipation, sondern Richtung Lebenssinn. „Wir sind auf der Welt, um kreativ zu sein.“ Nicht zuletzt wegen der klugen Dialogen überragt dieser Filme bereits etliche Wettbewerbsbeiträge. 

Künstlerisches Team: Margarethe von Trotta (Drehbuch, Regie), Martin Gschlacht (Kamera), Ulli Simon (Kostüme), Jaques Kieffer (Sounddesign)

Besetzung: Vicky Krieps (Ingeborg Bachmann), Ronald Zehrfeld (Max Frisch), Basil Eidenbenz (Hans Werner Henze) Renato Carpentierie (Giuseppe Ungaretti), Luna Wedler (Marianne Oellers), Tobias Resch (Adolf Opel)

Ab heute in den deutschen Kinos