Gabriele von Arnim „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“ 

Gabriele von Arnim „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“ 

© Rowohlt Verlag, Ralf Hiemisch

Sehr subtil und empathisch, lakonisch und ausgesprochen sprachgewandt beschreibt Gabriele von Arnim, wie sich die Kraftverhältnisse in ihrer Ehe veränderten, als er plötzlich zum Pflegefall wird.  Wie soll man aus der Entfremdung eine neue Anziehung herstellen? Wie kann man Liebe entwickeln, wenn die Liebenswürdigkeit des Partners fehlt? Die gelebte Vergangenheit prägt allzu sehr die gelebte Gegenwart. 

Ihr Mann, einst Mittelpunkt jeder Gesellschaft, wird zum Wrack, kann kaum noch sprechen. Beraubt all dessen, was sein Leben ausmachte, zürnt und hadert er mit sich selbst. Alles bricht weg, die soziale Anerkennung, der Sport, die Gespräche. Er ist völlig von seiner Frau abhängig und wird plötzlich zum Mittelpunkt ihres Lebens. Tyrannisch lehnt er sich gegen sie auf und gleichzeitig dankt er ihr durch liebevolle Gesten und Blicke für ihre Hilfe. 

Ohne ihn zu leben wird für sie unvorstellbar und sie unternimmt alles, um sein Leben zu verlängern, obwohl sie in dieser Ehe nicht die sein konnte, die sie gern gewesen wäre. Zwar drängt es sie immer noch hinaus ins Leben, doch wenn sie draußen ist, fragt sie sich, was sie dort soll. Sie visioniert ein neues Leben in der Zukunft, um es sofort wieder in Frage zu stellen. Die Pflege des Mannes vereinnahmt und überfordert sie. Sie wagt sich Hilfe zu holen, organisiert ein soziales Netz von HelferInnen, VorleserInnen und lädt zu allen möglichen Anlässen Freunde ins Haus, um das Leben ins Haus zu holen.

Nach seinem Tod fühlt sie sich wie eine „Zerfledderte“, spürt sie einen ungeheuren „Hauthunger“, vermisst sie Umarmungen. Es fehlt der zweite Atem, die Sorge nach dem anderen. Es dauert, bis sie sich wieder auf das Leben einlässt, die Wohnung schön gestaltet und die kleinen Dinge des Lebens erneut zu genießen lernt. Dabei beginnt sie Rilkes berühmten Satz zu begreifen, dass die Toten in uns hinein sterben und Teil unseres Ichs werden. Sie will nicht lustig, sprich abgelenkt sein, sondern heiter, weil dies Trost bedeutet.

Trost und Hilfe bietet ihr Buch nicht nur Menschen in ähnlicher Lage. Wer „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“ liest, gewinnt viel Verständnis für die eigenen Wechselbäder der Gefühle.

Gabriele von Arnim „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2021, S. 235

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