„Liebe, D-Mark und Tod – Aşk, Mark ve Ölüm“ – ein sozial-dokumentarischer Musikfilm von Cem Kaya 

Filmkritik von „Liebe, D-Mark und Tod - Ask, Mark ve Ölüm“ präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Rapid Eye Movies

Er zeichnet mittels dreier MusikerInnengenerationen die Entwicklung von den traditionellen Liedern über die türkischen Schlager bis zum deutsch-türkischen Rap nach.  Die KünstlerInnen singen und erzählen von ihren Erfahrungen, zeigen ihr überbordendes sängerisches Talent. Ihre Auftritte zunächst in den musikalischen  Restaurants in Berlin der 1980er Jahre waren aus Sicht der Türken die „goldenen Jahre“. Später sangen sie vor riesigem Publikum und schließlich auf Großhochzeiten mit 1000 bis 2000 Gästen, wobei die MusikerInnen wegen der heterogenen Gäste alle Stile ihrer Heimat, auch in kurdisch und arabisch, zu beherrschen lernten.

In der musikalischen Entwicklung spiegelt sich die Radikalisierung der Menschen. Die Sehnsucht der Liebeslieder weicht der Frustration durch die zunehmenden ökonomischen Benachteiligungen und die Ausländerfeindlichkeit. Individuelle Emotionen wie „Du hast mir die Liebe genommen“ formierten sich in gesellschaftliche Kampfansagen. „Ich habe dich satt Deutschland.“ Über Einblendungen von Schlagzeilen und ARD-Nachrichten entwickelt sich eine Chronik über die Parallelität gesellschaftlicher und musikalischer Radikalisierung.

Derdiyoklar, eine türkische Folkgruppe, kombinierte die türkische Musik mit Schlagzeug und E-Gitarre mit drei Hälsen. Mit dem Rock-Folk entwickelte er ein neues Genre. Radio Yilmaz machte die Songs berühmt. Später begann Muhabbet zu rappen und verband Deutsch mit Arabesken als Crossover. Gesellschaftlich gelang das nicht. 

Das ist insgesamt sehr berührend und sympathisch gemacht, zeigt viel von der türkischen Seele und Lebensart, lässt aber all die Fakten außer Betracht, in denen sich türkische Immigranten ganz bewusst der Integration entzogen. Cem Kaya zeigt z. B. verschüchterte Schulkinder, die am zweiten Schultag schon alleine in die Schule gehen müssen, weil die Eltern arbeiten. Das war zumindest in der ersten Generation bestimmt nicht der Fall. Die türkischen Frauen waren zu Hause und hätten die Kinder zur Schule bringen können, doch für die bildungsfernen Menschen aus Anatolien war das Leben in Deutschland in jeder Beziehung eine Heraus- und größtenteils auch eine Überforderung. Der Rückzug in die Familie erschien leichter als die Integration. Die Türken, die sich in Deutschland eine eigene Existenz aufgebaut haben, bleiben genauso unerwähnt wie die türkischen Clans, die den deutschen Staat ausbeuten. 

Jetzt sitzen die alten liebenswerten Musiker in der Berliner Hasenheide oder zu Hause. Sie wirken einsam und verloren. Den klassisch traditionellen Klängen folgt eine lange Pause, in der die türkische Wehmut weiterklingt.

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©Rapid Eye Movies

„Liebe, D-Mark und Tod – Aşk, Mark ve Ölüm“ mit Weltpremiere bei der diesjährigen Berlinale erhielt den Publikumspreis in der Kategorie „Panorama Dokumente“ und wurde beim DOK.fest München 2022 mit dem Dokumentarfilmpreis des Goethe-Instituts ausgezeichnet.

Künstlerisches Team: Cem Kaya (Drehbuch, Regie, Chef-Cutter), Mehmet Akif Büyükatalay (Drehbuch)