Grandiose Verfilmung von Joel Coen „The Tragedy of Macbeth“ in limitierter Auflage in deutschen Kinos

Filmkritik Joel Coens "Macbeth" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Alison Cohen Rosa/A24

Die Geschichte von „Macbeth“ sollte man allerdings kennen, um nicht zu sehr an die deutschen Untertitel in historischer Übersetzung gebunden zu sein und den Film in seiner intriganten Verflechtung und psychologischen Tiefe erfassen zu können.

Macbeth, Anführer der schottischen Streitkräfte im Mittelalter, siegt in einer brutalen Schlacht gegen den verräterischen Thane von Cawdor. Er steigt damit in der Gunst des Königs Duncan (Brendan Gleeson), erhält zwar nach der Ermordung dessen Titel, bleibt aber trotz der Prophezeiung König von Schottland zu werden ohne reale Chancen auf diese Position. Nicht zuletzt durch den Ehrgeiz seiner machtgierigen Frau  entschließt sich Macbeth, als Duncan bei ihm logiert, ihn zu töten und die Mordtat den Dienern unterzuschieben. Der Königssohn flieht. Macbeth wird König von Schottland. 

Es bleibt nicht bei einem Mord. Blut fordert noch mehr Blut. Systematisch werden alle möglichen Rivalen, auch Banquo, dem eine lange Königsdynastie vorhergesagt wird, samt ihren Familien brutal erstochen, Macolms Sohn sogar ins Feuer geworfen. Die Morde lasten zuerst nur auf Macbeth. Ein einziger Vogel genügt, um ihn in psychotische Wahnvorstellungen zu treiben, die auch auf Lady Macbeth übergreifen. Schlafwandelnd klagt sie über die eigenen Exzesse, verfällt dem Wahnsinn und stirbt just an dem Tag, an dem sich die Prophezeiung erfüllt, dass Macbeths Macht erlischt, wenn sich der Wald von Birnam in Richtung Dunsinane bewegt. Hinter Zweigen versteckt reitet Duncans Sohn Malcolm (Harry Melling) mit Macbeths größtem Kontrahenten Macduff (Corey Hawkins) auf Macbeths Burg zu, der im Zweikampf mit seinem eigenen Vasallen fällt, als er nach der heruntergefallenen Königskrone greift, die in hohem Bogen über die Mauerbrüstung vor Malcolm auf den Boden fällt, einer der vielen großartigen Momente des Films.

In ganz präzisen Szenen, harten Schnitten und Licht-Schatten-Effekten schreitet die Handlung sehr dicht voran. Gleichzeitig entwickelt sich eine artistische Ästhetik, die selbst die brutalsten Morde aus einer traumhaften Distanz erleben lässt. Großaufnahmen zeigen Verschlagenheit und Machtgier, Hilflosigkeit und dummen Pflichtgehorsam in den Gesichtern, rücken die Dialoge und das mimische Spiel in den Mittelpunkt. 

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©Alison Cohen Rosa/A24

Magische Szenen entstehen, wenn die Kamera den Blick immer wieder zum dunstverhangenen Himmel lenkt oder aus der Vogelperspektive Richtung Boden, dessen Muster sich in die karge schottische Landschaft verwandeln, wodurch die Handlung ins Mystische überhöht wird. Der sonore Hintergrundsound verstärkt die unheimliche Brutalität und die psychischen Wahnvorstellungen.

Dieser Macbeth ist nicht von Grund auf Böse. Er ist ein außerordentlicher Krieger, der endlich seine Belohnung will und die begangenen und in Auftrag gegebenen Morde letztendlich seelisch nicht verkraften kann. Dass Denzel Washington, ein Afroamerikaner, ebenfalls zweifacher Oscar-Preisträger, diesen Macbeth spielt, irritiert zunächst, hat aber nichts mit rassistischer Diskriminierung zu tun, sondern mit Denzel Washingtons großer Schauspielbegabung. 

Joel Coens Drehbuch endet über Shakespeare hinaus mit einem ganz besonderen Clou. Während Malcolm sich als neuer König wähnt, wird Fleance, Banquos Sohn, aus dem Versteck geholt. Durch den wilden Galopp scheucht ein düsterer Vogelschwarm auf, der den nächsten Königssturz ahnen lässt.

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Filmplakat©A24

Coens „Macbeth“-Premiere wurde beim New York Film Festival 2021 begeistert rezipiert und nur in einer sehr limitierten Auflage vor dem Streaming über Apple TV+ am 14. Januar freigegeben.