Film – Jean-Luc Godards „Bildbuch“

Filmkritik von Godards "Bildbuch" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

„Bildbuch“ ist ein kaleidoskopartiges Remake auf Godards experimentelle Filmtechnik der Collage von Filmschnipseln. „Die Hände erschaffen die Welt“, und zwar am Schnitttisch.

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©Wild Bunch Distribution

Dafür wird Leonardo da Vincis berühmter Zeigefinder  in der Sixtinischen Kapelle  zum Symbol.„Bildbuch“ ist ein Wimmelbuch der Filmgeschichte. Collagiert werden Ausschnitte aus pompösen Historienfilmen, Filmklassikern, etlichen Zitaten aus Godards Filmen kombiniert mit historischen Dokumentarfilmen, Naturszenen, literarischen Zitaten, YouTube-Ausschnitten, darunter  Gewaltszenen, aus der Quelle des „Islamische Staats“. Zwischen Glitzer und Schlacht, filmischem Glanz und brutaler Realität spiegelt Godard die Vergangenheit in der Gegenwart und fragt nach der Zukunft, die er sehr pessimistisch sieht. Als Collage aus Filmen verdichteter Bilder wird sein „Bildbuch“ zum ganz persönlichen Nachlass seines Schaffens und Denkens.

Doch nur selten berührt die Bildexplosion dieses „Bildbuches“, dann wenn die Aufgehängten im Wind wehen oder ein verletzter Mann versucht sich sein Bein vom Zuggleis wegzuschieben, während der Zug unerbittlich naht. Man hört den Todesschrei nicht, aber er wird assoziierbar mit  der aparten Dame in der nächsten Filmsequenz, der runde Kugeln wie Tränen aus den Ohren rollen. Das sind existentiell surreale Momente, die sich einprägen.

Ansonsten überfordert, um nicht zu sagen nervt  die überbordende, verfremdet flirrende Bilderflut. Der Mix aus Überblendungen in Schwarz-Weiß, Farbintensivierungen, Umrissverzerrungen, hartem Schnitten mit Grauflächen des tristessen Nichts ist selbst als Kontrast zum plakativen Bildkommerz unserer Tagen lange nicht mehr so experimentell wie einst, strengt durch die gehetzte Schnelligkeit als Metapher für unseren Lebensstil adäquat nur noch an, auch wenn sie die logische Konsequenz unseres digital bebilderten Lebensstils spiegelt.

Godard will keine Geschichten erzählen, nur einige ihm bedeutsame Gedanken lässt er aufleuchten. „Das Einzige, was von Europa übrig bleibt, ist die Kunst“ oder „Alles was in Europa passiert, geschieht durch Europa“. Zeit zur Reflexion lässt Godard nicht. Die Bilder treiben weiter, durch Untertitel gegliedert, die sich nur partiell bzw. nur für ganz beschlagene Cineasten erschließen. Die „Remakes“ verweisen als Neuinszenierungen immer gleicher Themen  quer durch die Filmgeschichte mit  ihren abschreckenden Lügen, Sequenzen von „sein und unsein“. Mit „Petersburg“ umkreist Godard die kultur-politische Position dieser Stadt.  „Les Signes“ fokussiert auf die Menschen, die Filme machen. „L’Esprit des Lois“ widmet sich der Wiederentdeckung des französischen Staatstheoretikers und Schriftstellers Charles de Secondat Baron de Montesquieu.

Mit seiner altersbrüchigen, sehr pathetisch wirkenden Stimme, die zum ersten Mal im Original in einem seiner Filme zu hören ist, stellt Godard  wissend noch einmal in lakonischen Sätzen die Polaritäten des Lebens, die ihn beschäftigen, zur Diskussion, allem voran die Politik. „Was ist das? Tugend, Terror“. Welche Rolle wird sein selbstständiges Arabien in der Zukunft spielen? Kurz konstatiert er die Ursachen der  Umweltzerstörung bedingt durch die  Verschwendungssucht der Reichen und den Bevölkerungsdruck  durch die Armen und kontrastiert sie mit überwältigend schönen Bildern der Natur. Der einzige Lichtblick sind für Godard die Kinder. Sie sind die Zukunft.

Das ist ein Experimentalfilm für Insider und Godard-Liebhaber.