©Cordon Timpen/Warner Brothers
Der Film beginnt extrem brutal. Xatar, mit bürgerlichem Namen Giwar Hajabi, landet in einer syrischen Massengefängniszelle. Man reißt ihm ohne Betäubung den vergoldeten Backenzahn aus dem Mund. Aber seine Quäler bekommen keine Antwort auf die Frage, wo das verschwundene Gold ist. Und schon ist man mitten im rätselhaften Mythos des Titels, zu dem der Vater, ein bekannter kurdischer Komponist und Dirigent etwas später die Brücke baut. „Rheingold“ macht unsterblich, aber nur die Rheintöchter wissen, wo es versteckt ist.
Nach diesem Mythos konzipiert Fatih Akin Xatars Ab- und Aufstieg als Parabel eines Flüchtlingsschicksals auf der Suche nach einer eigenen Existenz. Mit goldglänzenden Jahreszahlen und Ortsangaben gibt Fatih Akim dem Film dokumentarischen Charakter und gleichsam ein märchenhaftes Ambiente. Gleichzeitig lässt er Raum witzige und liebevolle Augenblicke, in denen Wagners „Rheingold“ verheißungsvoll als Symbol des eigentlichen Lebenspulses im Hintergrund zu hören ist.
Der Film beginnt mit Xatars Eltern unter der Diktatur Khomeinis. Im Angriff auf ein kurdisches Rebellendorf kommt Giwar, „der im Leid Geborene“, wie ihn die Mutter nennt, auf die Welt. Seine erste Erinnerung ist das Gefängnis. Die Mutter wurde gefoltert ohne die Position der Kurden zu verraten und deshalb als Heldin verehrt. Auf der Flucht in den Irak folterte man den Vater als möglichen Spion Khomeinis. Mit Hilfe des roten Kreuzes schafft es die Familie über Paris nach Bonn. Nur kurz dauert die Phase des bürgerlichen Status in einer Sozialwohnung am Standrand. Der Vater dirigiert im Opernhaus. Die Mutter putzt, um die Klavierstunde Giwars zu bezahlen.
Als der Vater wegen einer anderen Frau die Familie verlässt, gerät Xatar auf die schiefe Bahn. Wegen des Verkaufs von Sex-Pornos fliegt er von der Schule. Einmal verprügelt nimmt er Boxunterricht. Jetzt verprügelt er gnadenlos die anderen, beginnt zu dealen, wandert immer öfter in den Knast, taucht nach einem heißen Deal in Amsterdam unter, wo er im internationalen Koks- und Zahngoldhandel erwischt und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wird. Er beginnt heimlich zu rappen, schmuggelt die Aufnahmen aus dem Gefängnis und wird Millionär.
©Cordon Timpen/Warner Brothers
„Du schreibst dein Leben selbst!“, mahnt sein Vater. Oder doch nicht, denn er selbst ist durch die Kriminalität seines Sohnes arbeitslos geworden und seine kleine, inzwischen erwachsene Schwester bekommt trotz bester Noten keinen Job. Später kämpft Xatars eigene Tochter mit sozialer Isolation.
Trotz dieser sozialkritischen Aspekte bleibt Fatih Akin auf der Heile-Welt-Schiene. Mit Frau und Kind in einer Villa fast am Rhein, taucht die Kamera aus der Vogelperspektive hinab in die Untiefen, wo in romantischer Kulisse die drei Rheinnymphen einen großer Brocken Gold umschwimmen.
Emilio Sakraya spielt Xatar mit viel Verständnis, ganz und gar von der menschlichen Seite. Aus dem braven Flüchtlingsjungen wird ein gefährlicher Schläger, schließlich ein Gutmensch. Dabei rutscht der Film immer mehr in die Unterhaltungssparte ab, wird zum Aufsteigermärchen eines mehr als fragwürdigen Helden. Die Problematik der Drogenkriminalität und des Clanmanagement werden allzu glatt und amüsant präsentiert. Menschliche Abgründe werden kaum fühlbar. Der einzige originelle Clou dieser Gangsta-Karriere ist letztendlich Fatih Atkins Einbettung in Wagners Ring-Mythos. „Rheingold“ lässt zumindest für Opernkenner die „Götterdämmerung“ assoziieren.
Künstlerisches Team: Tim Pannen (Set-Dekorateur) Katrin Aschendorf (Chef-Kostümbildnerin), Denis Behnke (Leiter Animation und visuelle Effekte), Rainer Klausmann (Chef-Kameramann), Andrew Bird (Chef-Cutter)