©Leonie
Kaum ist der Papst tot, zieht man ihm brachial, vom Musiksound wuchtig intoniert, den Ring der Macht vom Finger. Die Leiche wird in einer weißen Plastikhülle entfernt, das Zimmer des Papstes unter den eisernen Musikakzenten versiegelt. Schon der Vorspann zu „Konklave“…
wird durch den Action-Sound zum Thriller. Nach Edward Bergers Weltkriegsdrama „Im Westen nichts Neues“, zehnmal ausgezeichnet, darunter vier Oscars, folgt jetzt das Kirchendrama „Konklave“. Krieg herrscht auch im Vatikan, nur die Methoden sind andere. Die Kardinäle aus aller Welte müssen einen neuen Papst wählen. Bis die Entscheidung fällt, werden alle Teilnehmer vom Alltag abgeschottet, um nicht von außen manipuliert zu werden. Kardinal Lawrence, vom Papst beauftragt, das Konklave zu leiten, weiß um die Bürde dieses Amtes. Der künftige Papst muss eine Zweidrittelmehrheit hinter sich haben. Kein vernünftiger Mensch würde freiwillig dieses Amt übernehmen und trotzdem kämpfen einige mit allen Mitteln der Macht Papst zu werden. „Die Gefährlichsten sind hier diejenigen, die Papst werden wollen“, konstatiert ein Kardinal. Aus der Polarität von integren und machtbesessenen Kardinälen entwickelt Berger einen Kirchenthriller zwischen klerikaler Pathetik und gläubiger Aufrichtigkeit, monumentalen Szenen und satirischen Details. Berger karikiert die Haute Volée des Klerus durch modische Alltagsschwächen. Die Kardinäle rauchen wie Pennäler und hinterlassen einen Teppich von Zigarettenstummeln, daddeln auf ihren Handys herum. Mit schicken Rollkoffern und in exquisitem, klerikalem Outfit stürmen sie über den Petersplatz, aus der Vogelperspektive gefilmt ein imposantes Bild mit schwarzen Regenschirmen als Anspielung auf die bald dunklen Rauchzeichen aus dem Vatikan, wenn der Wahlgang erfolglos war. Mit weißen Sonnenschirmen reisen sie nach der Wahl ab. Dazwischen entdeckt Kardinal Lawrence ein raffiniertes, überaus spannend inszeniertes Netzwerk von Intrigen und Korruptionen.
Zwar beruht Bergers „Konklave“ auf Robert Harris’ gleichnamiger Romanvorlage, doch ihn interessiert nicht der Rückblick in die Antike, vielmehr der desolate Zustand der heutigen Kirche im Spannungsfeld von Amtsmissbrauch, Sexskandalen, Geschlechtsumwandlung, Rassismus und Krieg, wodurch die Polemik zwischen konservativen und liberalen Kardinälen eskaliert.
Kardinal Lawrence, von Ralph Fiennes großartig in ständig wechselnden Gemütsverfassungen in Szene gesetzt, weiß nicht mehr, was seine Pflicht ist. Zweifel beginnen seinen Glauben zu untergraben und doch gelingt es ihm Schritt für Schritt, wenn auch mit Ungehorsam gegenüber den Regularien, die Manipulationen, die immer wieder eine völlig neue Kehrwende nehmen, aufzudecken, wobei Schwester Agnes (Isabella Rossellini) eine große Rolle spielt. Kardinal Lawrence ist der einzige, der sich seine Schwächen bewusst eingesteht. Alle anderen weisen Anschuldigungen rigide zurück, wobei Berger einmal herrlich ironisch die Kaffee-Maschine an Gottes Stelle pfeifen lässt. Kein Wunder, dass Gott zürnt. Einem Gottesurteil gleich schüchtert Berger die Kardinäle durch eine apokalyptisch anmutende Explosion ein, während die Kamera auf das Deckengemälde fokussiert. Diese Ambivalenzen zwischen pompöser Szenarien und satirischem Unterton machen den Reiz des Films aus.
„Konklave“ beweist gerade durch die ironischen Sequenzen künstlerische Souveränität und Empathie für werteorientiertes Empfinden. Im Vertrauen auf Gott siegt das Gute, wenigstens im Film, ein kleiner Balsam im Chaos unserer Zeitenwende, wobei allerdings die Kirche als Institution durchaus sehr in Frage gestellt bleibt.
Und einen derart kritischen Film lässt der Vatikan in der Sixtinischen Kapelle drehen? Natürlich nicht. Gefilmt wurde im Königspalast von Caserta bei Neapel und die Kolonadenszenen im Museo della Civiltà Romana in Rom. Schein und Sein sind in „Konklave“ auf jeder Ebene engstens verknüpft.
Künstlerisches Team: Edward Berger (Regie), Peter Straughan (Drehbuch), Volker Bertelmann (Komponist), Stéphane Fontaine (Chef-Kameramann), Nick Emerson (Chef-Cutter) Lisy Christl (Chef-Kostümbildner)
Mit: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, Isabella Rossellini, John Lithgow, Carlos Diehz, Lucian Msamati, Brían F. O’Byrne, Merab Ninidze u.a.