"Kultur macht glücklich"


Berlinale – Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

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Berlinale – Andreas Dresens „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“

©72. Internationale Filmfestspiele, Luna Zscharnt / Pandora Film

Mit Meltem Kaptan als umwerfend dynamische, verbal versierte Rabiye bekommt das hochdramatische Thema eine derart heitere Komik, dass alle rassistischen Vorurteile schlagfertig vom Tisch gewischt werden. Sie spiegelt das Leben von Türken in Deutschland auf eine Weise, bei der man einfach lachen muss. Dem Klischee der türkischen Mama entspricht sie so gar nicht, westlich gekleidet, blondiert, als rasante Autofahrerin, am liebsten in einem weißen Mercedes-Cabrio verkörpert sie eine schräge Neuauflage deutscher Frauenträume in den 1960er Jahren und übertrifft alle Männer an resoluten Auftritten, ohne das Gespür für den richtigen Ton in den Gesprächen zu verlieren. Da bleibt dem Ehemann nur die Rolle der liebenswert fleißigen und schüchternen Nebenfigur. 

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©72. Internationale Filmfestspiele, Luna Zscharnt / Pandora Film

Meltem Kaptan macht aus Rabiye keine larmoyante, sondern eine ausgesprochen lebensfrohe, hippelige Übermutti. Sie versteht, dass ihr zurückgekehrter Sohn ein paar Minuten allein sein will und kommt doch gleich mit. Wenn die Tochter moniert, dass ihr Bruder wie ein Taliban aussieht, kontert Rabiye „Und du siehst aus wie eine deutsch Frisöse“. Rabiye trägt das Herz auf der Zunge und entwaffnet damit ein ums andere Mal ihr Umfeld, an erster Stelle den Bremer Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke, Alexander Scheer, der zunächst gar nicht weiß, wie ihm geschieht und für den sie fast auch wie eine Mama wirkt. 

Die Comedy ist die flotte Antwort auf das Versagen der demokratischen Staaten. Doch Andreas Dresen lässt, und das ist das Entscheidende, in subtiler Verdichtung den großen Schmerz und die Ohnmacht gegenüber der Justiz immer wieder berührend erleben und eröffnet einen Blick in die latenten Manipulationen demokratischer Politik.

Es ist ein wichtiger Film. Immer noch befinden sich 39 Häftlinge ohne gerichtliche Verhandlung in Guantánamo.