69. Internationale Filmfestspiele Berlin – „L´Adieu à la nuit“

Berlinale Filmkritik "L' Adieu à la nuit" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

Muriel betreibt eine Pferdezucht. Als ihr Enkel Alex sie besucht, den sie groß gezogen hat, gerät das Gefüge in Schräglage. Alex’ Ziel ist nicht, wie er vorgibt, ein längerer Aufenthalt in Kanada, sondern eine Reise über Istanbul in den Orient, um sich Dschihad-Kämpfer ausbilden zu lassen.

Ganz subtil und langsam enthüllt  Regisseur André Technik die bereits sehr weit fortgeschrittene Radikalisierung von Alex. In seinen Gedanken überlagern sich Erinnerungen und  Visionen die Gegenwart. Zunächst scheint er nur in ein moslemisches Mädchen verliebt zu sein. Doch längst ist die Entscheidung für die Dschihad gefallen.

Was können Betroffene tun, um in derartigen Situationen zu helfen? Das ist das Anliegen des Films. Die Antwort ist vernichtend. „Nichts!“. Selbst der ehemalige Dschihadist, den Muriel  zur Unterstützung holt,  durch Fussfessel noch polizeilich überwacht, kann Alex nicht aufhalten. Muriel gibt nicht auf, doch die Konsequenzen ihres Handelns stürzen sie in eine tiefe Depression. Sie verstummt, Ihr Blick geht ins Leere, obwohl die Kirschernte das pralle Lebensfreude signalisieren.

Geerdet  durch ihre Lebenserfahrungen und ihr Alter, nicht zuletzt durch ihre unsentimentale Art Rollen darzustellen, spielt Catherine Deneuve diese Muriel sehr überzeugend und realistisch, ohne viel zu reden, aber genau beobachtend anfangs sehr klar und resolut.

Berlinale Filmkritik "L' Adieu à la nuit" präsentiert von schabel-kultur-blog.de

©Curiosa, Adieu à la nuit 2019

Sie kümmert sich um die Pferde, legt Zäune an. Sie geht nachts mit der Flinte noch spazieren und weiß  Aug in Aug nachts einem fulminanten  Wildschwein furchtlos gegenüber zu stehen. Berührend, sehr subtil zeigt Catherine Deneuve allein  durch ihre Haltung und ihre Blicke, wie diese starke Frau unter Last des Schicksals fast verbricht. Und doch entlässt der Film den Zuschauer mit einer kleinen Hoffnung, um zu zeigen, dass  sich zu engagieren, zuweilen ganz unerwartete Früchte bringt.

Michaela Schabel