Philipp Oehmke „Schönwald“ – ein Gesellschaftsroman der Verdrängung

Buchkritik Oehmke "Schönwald" prä

©Piper Verlag, 2023

Philipp Oehmke entwickelt aus einem Personenporträt über die Verbindungen zu den Geschwistern, Eltern und Anverwandten einen deutschen Gesellschaftsroman über drei Generationen, in denen alle aktuellen Probleme Raum finden, aber von den jeweiligen Protagonisten verdrängt werden, wobei Schritt für Schritt Vernetzungen entstehen, bis nach Tagen größter Anspannung bei einer simplen Grillparty die Wahrheiten explodieren. Zurück zum Anfang.

Chris’ Karriere als Professor in den USA endet abrupt. Er schafft sich Parallelwelten, will seinen Absturz geheimhalten. Beim Familienfest in Deutschland anlässlich der Eröffnung eines lesbischen Buchladens seiner Schwester wird die Lage plötzlich explosiv. Statt Familienidyll werden Geschwister und Eltern mit linker Randale und medialer Nazigeld-Hetzkampagne konfrontiert.

Die anfangs sehr konstruiert wirkende Geschichte entwickelt jetzt über die einzelnen Porträts der Familienmitglieder eine erzählerische und stilistische Geschmeidigkeit, die durchaus in ihren Bann zieht, weil ein Problem nach dem anderen auf den Tisch kommt, sich die menschlichen Beziehungen dahinter offerieren und die ständigen Manipulationen durch gesellschaftliche Zwänge, die Fassade zu wahren. Das Spektrum reicht von medialen Troll-Angriffen und über die Abhängigkeit von alten, weißen sexgeilen Professoren bis zu Hipstern, die in der Ueckermark auf Landleben machen und ihre sündteuren SUVs vor der Scheune parken, bis zu Neureichen, die nur noch um den eigenen Narzissmus kreisen. Es entstehen subtile Personenporträts, in denen glückliche Beziehungen plötzlich Risse bekommen, sich Frauen auf ganz unterschiedliche Weise emanzipieren, Vernunft die Emotionen unterdrückt. Philipp Oehmke betreibt keine klischeehafte Schwarzweißmalerei. Ganz im Gegenteil, er nähert sich seinen Charakteren durch überzeugende, alltäglich vorkommende Geschichten aus verschiedenen Perspektiven und eröffnet so verschiedene Sichtweisen auf Problemsituationen. Man begreift, warum die Menschen sind, wie sie sind. Der Clou ist die Konzeption. Als die Geschichte am Schluss zu Chris zurückkehrt und seine Geschichte fertig erzählt fallen die Familienmitglieder wie Dominosteine um oder können nur noch die Eltern die Fassade wahren. 

Philipp Oehmke „Schönwald“, Piper Verlag, München 2023, S. 480

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