©Bonzifatius Verlag, 2022
„Die Krise der Kirche berührt die Substanz unseres Christseins. Es steht etwas Wertvolles auf dem Spiel.“ Das Hauptproblem sieht Meik Schirpenbach in der Kirchenleitung, die sich längst von der ureigensten Aufgabe der Kirche entfremdet hat, in der Nachfolge Jesu Christi im Dienst für alle da zu sein. Längst hat das Bild vom Hirten und seiner Schafherde den tiefen Sinn gegenseitigen Spürens, aufeinander Achtens und gemeinsamen Vorwärtsgehens durch die sture von oben nach unten wirkende Machtinstanz der Kirche verloren. Der Missbrauch wird vertuscht, Frauen werden weiterhin diskriminiert und die Menschen kleingehalten. Meik Schirpenbach sieht in der klerikalen Verdrängungs- und Ausgrenzungspolitik eine Pervertierung der urchristlichen Grundidee „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Für ihn ist die Kirche zu einem autoritären Befehlssystem degradiert. Statt für die Opfer des Missbrauchs Empathie zu zeigen, treibt die Kirche sie in die Isolation. „Die Kirche hat sich von Gott entfernt“.
Das sind sehr klare Worte. Trotzdem macht das Buch den Gläubigen Mut, weil Meik Schirpenbach die Kirche sowohl als Haus Gottes in seiner spirituellen Aufgabe als auch als Gemeinschaft stärken will. Man darf Kirchen nicht einfach verfallen lassen oder verkaufen. Die Kirche als Gebäude war immer schon Freiraum für Humanität und sollte über die Wucht und Ausstattung des Baus Transzendenz ins Mythische ermöglichen. „Die Schönheit ist eine Spur, die ins Göttliche führt.“ Die Kirche als Haus ist Ausdruck kultureller Identität und Ort die Gemeinschaft zu leben. Was Meik Schirpenbach nicht erwähnt, ist, welche Ausbeutung hinter jedem Kirchenbau steckt und wie manipulativ Kirchen benutzt wurden.
Die klerikale Leitung ist inzwischen in der Theorie erstarrt, so Meik Schirpenbach, statt sich um die Gemeinden zu kümmern. Ihre Aufgabe ist es nicht zu mahnen, sondern dem Leben eine geistige Dimension zu geben, womit man durch Krisen hindurchgehen kann und man die Natur als Schöpfung begreift, sie beherrscht, nicht um sie auszubeuten, sondern um sie zu erhalten.
„Kirche geht anders“ für Meik Schirpenbach. Sie muss sich öffnen, darf sich nicht hinter Türen verschließen. Autoritären Druck von oben lehnt er entschieden ab, weil er von den Menschen als Manipulation der Persönlichkeit erlebt wird. Nur bei spirituellem Tiefgang fühlt man Freiheit und Lebensfreude und beides vermittelt die heutige Kirche nicht mehr. Wichtige Begriffe wie die Sühne wurden verfremdet. Sie ist keine Verurteilung und Ausgrenzung, sondern nichts anderes als eine Wegweisung, um keine Gottesentfremdung bzw. Beziehungsstörung zuzulassen. Vergebung wäscht Schuld nicht rein, doch sie hilft, dass Schuld ihren Druck verliert. Widrige Umstände können zur Schule der Liebe werden.
Dessen ungeachtet reagiert die Kirche als geschlossener Verwaltungsapparat von oben nach unten mit unsinnig pastoralen Strukturreformen. In der Öffentlichkeit wird sie durch die ignorierten Missbrauchskandale immer unseriöser wahrgenommen, während das Engagement des einzelnen Pfarrers völlig außer Acht gelassen wird.
21 Pfarreien hat Meik Schirpenbach zu versorgen, nicht weil es keine Gläubigen mehr gibt, sondern infolge des Zölibats. Sollten nicht die Steuereinkommen den Gemeinden zukommen, statt dass man damit den Luxus der Ordinariate und Generalvikariate zu finanziert?
Meik Schirpenbach fordert „ein großes Zeichen“, das zeigt, dass Kirche die Gesellschaft trotz aller Unterschiede und Spannungen zusammenhalten kann. Kirche ist über die Geschichte hinweg per se immer ein Neuanfang. Die Abschaffung des Zölibats, die kirchliche Zweitheirat von Geschiedenen können seiner Ansicht nach nicht länger ignoriert werden.
©Bonifatius Verlag
Meik Schirpenbach „Re++en wir die Kirche! Zwischen Resignation, Skandalen, Sehnsucht und Begeisterung. Ein Landpfarrer schlägt Alarm“, Bonifatius Verlag, Paderborn 2022, 240 Seiten