Mary L. Trump „Das amerikanische Trauma – Die gespaltene Nation – und wie sie Heilung finden kann“

Buchkritik "Das amerikanische Traum" von Mary Trump präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Heyne Verlag

Einst galt Amerika als Land, das Verfolgten neue Hoffnung gab. Aber das Land wurde auf dem Rücken und mit dem Blut der Native Americans und versklavter afrikanischer Menschen aufgebaut. Die weiße Rasse war von Anfang an privilegiert. Die Schwarzen wurden durch die Drei-Fünftel-Regelung bereits bei der ersten Verfassung diskriminiert, indem man sie bei der Volkszählung und Besteuerung nur als Drei-Fünftel-Person gewertet  hat.

Mit „Amerika 1865-2020“ beginnt Mary L. Trump die Geschichte der Versäumnisse historisch zu belegen, in erster Linie an der Unterdrückung der Schwarzen, die Ausrottung der indigenen Bevölkerung bleibt unerwähnt.

Beim Übergang von Bürgerkrieg zur Reconstruction hatte Lincoln keinen Plan, um die Fragen der ungelösten Probleme zu beantworten. Die Sklaverei endete nicht, sie veränderte sich nur. Nach Lincolns Ermordung überließ Nachfolger Johnson die Frage der Schwarzen den Einzelstaaten, also den ehemaligen Sklavenbesitzern. Die Schwarzen bekamen weder Wahlrecht noch Schulbildung. Zugewiesenes Land wurde ihnen wieder weggenommen. Die medizinische Versorgung war miserabel. Zum Brandmal der Sklaverei kam noch das Vorurteil des „faulen Schwarzen“, das fehlenden Arbeitsmöglichkeiten und der Verbitterung freigelassener, völlig vernachlässigter Menschen zweiter Ordnung geschuldet war. Der Passus, dass Zwangsarbeit „bei Strafe für ein Verbrechen“ wieder möglich war, wurde zum Dolchstoß. Landstreicherei, Herumlungern, schon allein die Absicht zum Stehlen, meist von Weißen unterschoben, wurden kriminalisiert, Schwarze kamen wegen solcher Delikte ins Gefängnis, konnten dann an die Plantagenbesitzer verpachtet oder als Schuldknechte zugewiesen werden. Die Schwarzen arbeiteten unter schlimmeren Bedingungen als unter der Sklaverei. Mit der Gründung des Ku-Klux-Klans 1865 in Tennessee wurde die Lynchjustiz zum Alltag. Die Polizei unternahm nichts dagegen, beteiligte sich sogar teilweise an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Parallel schuf man ein komplexes System der Rassentrennung, das erst 1964 durch Veröffentlichungen von Betroffenen über die Medien kritisch reflektiert wurde.

Mary L. Trump kann aus dem Vollen schöpfen, wenn es darum geht den Rassismus der Weißen zu belegen. Selbst Präsident Thomas Jefferson, Gründungsvater der USA und der Verfassung, vergewaltigte eine Sklavin, zeugte mit ihr sechs Kinder, die er zu Sklaven machte. Von den äußerst fragwürdigen Begnadigungen rassistischer Generäle durch die Präsidenten Ford und Carter bis zu Nixons Wahlmanipulationen belegt sie die verwerflichen Strukturen weißer Macht. Nixons Begnadigung durch Nachfolger Ford schaffte wiederum einen absoluten Präzedenzfall, „wonach Präsidenten über Normalsterblichen stünden und sich im Gegensatz zu diesen nicht vor dem Gesetz rechtfertigen müssen.“ Auch Barak Obama unterließ es die Folterpraxis der Regierung unter Bush zu untersuchen und die Banken wegen ihrer Zinspolitik während der Immobilienblase in Haftung zu nehmen. In den USA galt und gilt die Praxis des Todschweigens.

Der zweite Teil „Da gibt es Ungeheuer“ kreist um Trump, um seine Ignoranz, bar jeglichen Wissens über Staatsbürgerkunde. „Trump war nicht nur inkompetent, lächerlich und grausam“. Die Gunst der Stunde, dass die Republikaner in den entscheidenden Gremien die Mehrheit hatten, machte es möglich genau die Institutionen zu zerlegen, die ursprünglich geschaffen worden waren, Autokraten wie ihn zu verhindern, Medien, Justiz und Kongress so zu manipulieren, dass Missstände nicht aufgeklärt wurden. Wichtige Ministerien änderten ihre Kultur und ihren Zweck, z. B. durch die Ausdünnung des Botschafterpersonals im Ausland. „Ohne Diplomatie wird Aggression zum Normalzustand“. Mehr noch schadete Trump selbst durch sein unberechenbares Auftreten dem internationalen Ansehen der USA. Die Pandemie zeigte, dass Trump unfähig war die konzeptionell die richtigen Entscheidungen zu treffen. Hätte er die Pandemie ernst genommen, wäre er selbst von seinen Gegnern dafür gefeiert worden. Sein Kommentar auf 150000 tote US-Amerikaner mit „So ist das eben“  setzte seiner Kaltschnäuzigkeit die Krone auf. Das Gesundheitsministerium, ursprünglich selbstständig in den Entscheidungen zum Wohle des Volkes, wurde durch personelle Umbesetzung auf Trump-Linie fixiert nach der Devise, „Wirtschaft ist wichtiger als Wissenschaft“. 

Mary L. Trump erinnert an den 11. September 2001, als das Terroranschlag eine Welle der Solidarität auslöste. Trump dagegen spaltete mit der Geste die Maske nicht aufzusetzen das Land im Januar 2021 trotz täglich versehentlich höherer Todesopfer in tragischer Weise.

Im dritten Teil belegt Mary  L.Trump einmal mehr „Die Sonderrolle Amerikas“ in Sachen Rassismus und antidemokratischen Verhaltens. Schon 1790 wurde die Einwanderung und Einbürgerung auf weiße Menschen beschränkt. Religionsfreiheit bedeutete imgrunde nichts anderes als Protestant zu sein. Die Welt teilte man in Gut und Böse ein. Der weiße Amerikaner war selbstverständlich immer der Gute, der die gute Sache vertrat. Die Weißen entschieden, welches Leben lebenswert ist. Die amerikanische Eugenik-Bewegung hatte vor dem Zweiten Weltkrieg weltweit Einfluss, insbesondere auf Hitlers Sterilisations-Politik, um degenerierte Nachfahren zu verhindern. Und weiße Richter entscheiden, was Recht ist. Ausgerechnet die Richter der obersten Institution müssen sich an keinen Verhaltenskodex halten. Sie sind inzwischen derart parteiisch, „dass sie unser Vertrauen nicht mehr verdienen“ kommentiert Mary Trump die Entwicklung, die sich unter Trump noch zuspitzte. 

Kein Wunder, dass Mary L. Trump in der „ Abrechnung“ vom Faschismus der Republikaner spricht. Joe Biden gelang es zwar „in letzter Minute die Demokratie den Klauen der Autokratie entrissen“ zu haben, aber „ein Gewehr ist auf den Kopf der Demokratie gerichtet“. Die Republikanische Partei und der Supreme Court sind für Mary L. Trump zutiefst antidemokratische Institutionen, denen es nur um den Erhalt der weißen Macht geht, und in der Gegenwart zeigt sich, welche Wirkung „Der lange Schatten“ der weiß getünchten Geschichtsschreibung immer noch hat. Das weiß-protestantische Modell der Republikaner zielt nicht auf Integration, sondern auf Trennung. Nach wie vor werden die Schwarzen wegen Kleinstvergehen kriminalisiert, nach Straftaten nicht resozialisiert, sondern stigmatisiert. 

Doch Amerika als Nation kann erst zu heilen beginnen, „wenn wir unserer Vergangenheit offen und ehrlich in die Augen sehen und verstehen, wie das Vermächtnis unseres Landes weiterhin jeden Aspekt unseres Lebens beeinflusst.“. Die Traumata aufzuarbeiten ist für Mary L. Trump die Basis, um die Endlosschleife von Selbsthass und des Gefühls der Sinnlosigkeit zu durchbrechen. Der Trend der letzten Jahre hin zur Härte und Gleichgültigkeit gegenüber anderen bis zur Ignoranz von Corona untergruben dagegen die sozialen Strukturen noch mehr, ließen das „Pendel immer weiter nach rechts schlagen“ und zeigten deutlich, dass die Republikaner die tradierten Ungerechtigkeiten verstärken wollen. Solange eine Gesellschaft, „in der Weiß der Standard ist“, die eigenen Privilegien nicht hinterfragt, wird sich nichts ändern, ist Mary Trumps Resümee.

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©Avary L. Trump

Mary L. Trump, 1965 in New York geboren, ist die einzige Nichte des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und seine schärfste Kritikerin. Sie wuchs in Jamaika auf, studierte in den USA Psychologie, promovierte in Klinischer Psychologie und lehrte in den Fachbereichen Traumtherapie, Psychopathologie und Entwicklungspsychologie. Ihr erstes Buch „Zu viel und nie genug“ über ihren Onkel Donald Trump und seine Familie wurde ein internationaler Bestseller. 

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©Heyne Verlag

Mary T. Trump „Das amerikanische Trauma“, Heyne-Verlag, München 2021, 254 S.