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45 Prozent unserer Verhaltensweisen sind ritualisiert, immer häufiger zwei, drei gleich parallel. Man isst, checkt gleichzeitig die Mails, fährt zum nächsten Termin etc. Diese Muster, insbesondere das Multitasking sind zu hinterfragen. Sie sind per se nicht negativ, aber „die Dosis macht das Gift“. Wir sparen durch Multitasking zwar Zeit, agieren aber wie im Automodus, ohne wahrzunehmen, was wir tun. Es gilt negative Verhaltensweisen zu hinterfragen, warum man sich so verhält, und dann Schritt für Schritt durch positive zu ersetzen. Warum isst man so viel? Warum ist man ständig am Handy? Als psychologische Psychotherapeutin und praktizierende Buddhistin ist die Achtsamkeitspraxis für Main Huong Nguyen ein wichtiger Bestandteil bei der Arbeit mit ihren PatientInnen.
Main Huong Nguyen schreibt aus Erfahrung. Sie zeigt anhand von typischen Stresssituationen, wie man sich selbst über Beobachtungsbögen analysieren und sich neue Verhaltensmuster antrainieren kann. Die wichtigsten Gedanken fasst sie nach jedem Kapitel „Auf einem Blick“ mit den entsprechenden Übungen übersichtlich zusammen, optisch wie Merkzettel hervorgehoben. Den Sinn der einzelnen Methoden kann jeder für sich sehr schnell evaluieren, wenn er sich danach besser fühlt. „Man ist, wie man isst.“ Warum das Essen nicht wie ein Date wahrnehmen? Bewusstes Essen und Kauen reduziert ständiges Naschen im Nachhinein. Der Darm sagt Danke. Tiefe Box-Atmung nach einer Stresssituation entspannt. Vorwürfe in Rezeptschriftgröße verkleinert, Lob in Großschrift schaffen neue, seelenberuhigende Wahrnehmungsverhältnisse. Gegen frustrierendes Grübeln über Vergangenes hilft zukunftsorientierte Problemlösung. Bewusst die eigenen Emotionen zu benennen und die sich daraus ergebenden Bedürfnisse zu erkennen hilft das breite Spektrum der Emotionen leben und aushalten zu können. Achtsamkeit führt automatisch zu Dankbarkeit. Man sollte sie auf das eigene Ich ausweiten und vor allem auch formulieren. Das „Wir“ im Blick, die Hilfe für weniger privilegierte Menschen führt letztendlich zu einem erfüllten Leben. Sich dem anderen zuwenden, bedeutet auch Vertrauen zuzulassen, die Kontrolle aus der Hand zu geben. Das persönliche Vertrauen ist Teil des kollektiven Vertrauens. Statt der Formulierung des miteinander Verbundenseins mit allem, was uns umgibt, bevorzugt Main Huong Nguyen den buddhistischen Begriff des „Inter-seins“, was bedeutet, dass jeder Mensch und jedes Lebewesen miteinander verbunden sind. Mitgefühl ist besser als Mitleid, weil ersteres das Gehirnareal der Belohnung, Liebe und Zugehörigkeit aktiviert, das zweite das Gehirnareal auf Schmerzverarbeitung zielt, die schnell ins Burn-out führen kann.
Main Huong Nguyen „Eins mit allem. Drei Wege in ein achtsames und bewusstes Leben“, Herder Verlag, Breisgau 2023, S. 248