Leonie Schöler „Beklaute Frauen. Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte“ 

Buchkritik von Leonie Schöler "Beklaute Frauen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Penguin Verlag, 2024

Neue Forschungsergebnisse beweisen, dass schon im Altpleistozän vor 1,7 Millionen Jahren die Frauen mit auf die Jagd gingen. Später waren sie Soldatinnen und in wichtigen Führungspositionen. Es lag an den einflussreichen Männern, dass leistungsstarke, kluge und begabte Frauen nicht nur ignoriert wurden, sondern auch geistig beklaut, durch falsche Anschuldigungen ihrer Ehre und Freiheit beraubt und oft auch getötet wurden. Nicht die Männer, sondern die Frauen zwangen 1789 durch ihren protestierenden „Brotmarsch“ König Ludwig XIV. die Resolution auf „Gleichheit der Menschen“ zu unterschreiben und Brot wieder ans Volk zu verteilen. Aber die einflussreichen Männern der Französischen Revolution schraubten das Rad der Neuerung zurück und schlossen die Frauen aus der politischen Beteiligung wieder aus. Sie waren und wurden nicht gleichberechtigte, sondern „(k)eine Bürger“, so das erste der sechs mit vielen Beispielen belegten Kapitel. Junge Frauen erwartete nur die „Endstation Ehe“. Jahrtausende lang galt „Künstler wird mit Er geschrieben“, so die Kapitelüberschriften. Exzellente Forscherinnen wie Rosalind Franklin, Liese Meitner, Jocelyn Bell Burnell erhielten keinen Nobelpreis. Frauen im „Widerstand“ gegen ungerechte Realitäten und fiktiv in der Literatur wurden als blutrüstige Amazonen, rote Huren und Soldatenflittchen diskreditiert. Bildung orientierte sich an Goethe, Lessing, Brecht und Co, war weiß und männlich. Viele talentierte und mutige Frauen kennt man nicht, weil sie unter Pseudonymen publizierten. Sie sind „vergessen und ausgelöscht“.

Derzeit verschlechtert sich die Lage der Frauen wieder. Abtreibungsverbote häufen sich. Erdogan trat 2022 aus der Istanbuler Konvention aus, die Frauen vor sexueller und häuslicher Gewalt schützen sollte. Selbst die Algorithmen sind männlich dominiert, indem man sie mit geschlechtsspezifischen Vorurteilen programmiert. Googled man CEOs werden vorrangig Männer aufgezählt. Shitstorms auf engagierte Frauen sind oft männlich lanciert. Diesbezüglich schreibt Leonie Schöler aus persönlicher Erfahrung. Ihre Hoffnung, dass durch ethische Regelungen im Rahmen der KI diesbezüglich eine Besserung eintreten könnte, ist mehr als zweifelhaft. 

Gerade junge Frauen stehen im Kreuzfeuer der gesellschaftlichen Entwicklungen. Mutig engagieren sie sich  an der Spitze von gesellschaftlichen Initiativen wie der Blacklives-Matter-Bewegung oder Fridays for Future. Sie protestieren im Iran, im Sudan und in Belarus. Rechtsradikalismus drängt dagegen die Frauen wieder in traditionelle Rollen von Mutter und Haushalt. 

Die beklaute Frau ist kein Einzelfall, dahinter stecken gesellschaftliche Systeme, die von Männern errichtet und aufrechterhalten bleiben. In Zeiten der digitalen Medien kommen noch die Shitstorms der sozialen Medien hinzu. In ihrem Schlusswort plädiert Leonie Schöler für die Gleichstellung der Menschen egal ob Mann oder Frau. Sie knüpft an den Gedanken der Urvölker in ihrem Vorwort an, bei denen jeder egal welchen Geschlechts sein Bestes für die Gemeinschaft einbrachte. 

Leonie Schöler (*1993) lebt als Historikerin, Journalistin und Moderatorin in Berlin. Über TikTok und Instagram (@heeyleonie) veröffentlicht sie spannendes Geschichtswissen. 2021 erschien im ZDFinfo ihre Dokumentation über das System des Schlachtgroßbetriebs Tönnies, 2022 ihre 8-teilige Webvideoreihe zur Wannsee-Konferenz und „Heureka“ auf YouTube. „Beklaute Frauen“ ist ihr erstes Sachbuch. Das Buch ist ein echter Erkenntnisgewinn, insbesondere für Männer.

Leonie Schöler „Beklaute Frauen. Denkerinnen, Forscherinnen, Pionierinnen: Die unsichtbaren Heldinnen der Geschichte“, Penguin Verlag, München 2024, 409 S.