Hilkje Hänel „Wer hat Angst vorm Feminismus – Warum Frauen, die nichts fordern, nichts bekommen“

Hilkje Hänel „Wer hat Angst vorm Feminismus" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©C. H. Beck Verlag

„Solange unser Leben sich danach ausrichtet, dass wir Personen nach ihren existierenden oder auch nur angenommenen biologischen Körpern in Schubladen packen und damit rechtfertigen, sie unterschiedlich zu behandeln, solange werden Frauen von der sexistischen Ideologie unterdrückt.“ Um diese Tatsache kreist Hilkje Hänel. Wie wichtig diese Reflexionen sind, zeigen die Zahlen. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von einem Mann umgebracht, etwa 120 pro Jahr plus 140000 Frauen, die Gewalt erleben. Häusliche Gewalt wird gesellschaftlich als Privatsache bagatellisiert. Statt Frauen in solchen Situationen zu helfen, werden sie oft noch beschuldigt. Man glaubt ihnen nicht. Frauen werden als Opfer zum Schweigen gebracht, weil irgendein Mann immer Recht hat, weil der Mann aufgrund seiner Rollenmuster aus Stärke, Aggression, Ehrgeiz, Unabhängigkeit den Anspruch hat, Frauen dominieren zu können. Diese sozial entstandenen sexistischen Verhaltensmuster können nur durch Anerkennung der Identität des anderen durchbrochen werden, genauso wie das Peinigen der trans Männer und  Frauen, die sich nicht an die Muster der sozial verankerten Heterosexualität halten.

Völlig falsch ist es nach Hilkje Hänel auf Respektlosigkeiten mit Humor und Witz zu reagieren. Damit bagatellisiert man infames Verhalten, statt klare Grenzen zu formulieren. Genauso falsch ist das Ignorieren, was bei Frauen of Colour oft damit zusammenhängt, dass sie dominiert von der weißen Kultur keine Begrifflichkeit für die erlittenen Übergriffe hatten. Sexistisches Verhalten ist allerdings in alle Gesellschaften allgegenwärtig. Ein Bewusstseinsprozess und Umdenken hat sich erst durch die #MeToo-Bewegung entwickelt. 

Feminismus bedeutet nicht, dass Frauen besser als Männer sind, sondern dass wir alle zusammen lernen im Kopf die Schalter umzulegen und niemanden zu diskriminieren, dass  jeder so sein kann, wie er ist. In diesem Zusammenhang gibt Hilkje Hänel einen Mini-Überblick  über alle möglichen feministischen Strömungen, die sie auch über ein Glossar genau definiert und abgrenzt.

Die Frage, was guten Sex ausmacht, ist nichts anderes als die Frage, mit wie viel Respekt sich Mann und Frau begegnen. Sex soll wie eine Einladung sein, man kann sie annehmen, aber auch ablehnen, ohne dass Aggressionen entstehen, und Sex soll so sein, wie ihn sich die Frau vorstellt, nicht wie sie ihn sich aus männlicher Sicht vorzustellen hat.

Sehr interessant ist Hilkje Hänels Gegenüberstellung von Liebesbeziehung und Freundschaft und die darin unterschiedlichen sozialen Normen am Beispiel sexueller Monogamie, des damit verbundenen Paarbegriffs und grundsätzlicher Zukunftsentscheidungen. Freundschaften sind diesbezüglich offener, wesentlicher individueller ausgerichtet. Hilkje Hänel plädiert dafür, romantische Beziehungen wie Projekte mit klaren Zielvorstellungen und Vereinbarungen anzugehen, sie durchaus auf mehrere Personen zu erweitern, um Menschen, die sich gegenseitig achten auch die gleichen Rechte zu geben. Entscheidend ist der gegenseitige Respekt. Kinder allerdings erschweren es rollenspezfische Verhaltensweisen zu verändern. Eltern agieren nach alten Mustern und geben sie weiter.

Sehr differenziert geht Hilkje Hänel auf die Problematik von Frauen of Colour,  trans Frauen und die Kategorie divers ein, deren Zuordnung auch im feministischen Umfeld unterschiedlich diskutiert wird, zumal die Identität jeder Frau letztendlich vom Verhalten des sozialen Umfeldes sehr geprägt wird. Hilkje Hänel ist dafür, dass die Selbstidentifikation der trans Frauen trotz ihrer biologischen Männlichkeitsattribute genügt, um Frau zu sein. Dadurch würde das binär sexistische Geschlechtssystem endlich an Bedeutung verlieren. Dazu ist es notwendig miteinander zu sprechen und gerade die marginalisierten Frauen in den Vordergrund zu rücken. „Wir müssen nicht lernen, anders zu sein, sondern die Welt ganz anders denken und von unseren Privilegien abrücken.“

Hilkje Hänel argumentiert sehr logisch, bezieht viele Perspektiven mit einem Dutzend Seiten Quellenangaben mit ein. Das einzige was stört, ist ihre „Kackscheiß“-Lieblingsvokabel. 

Hilkje Hänel, Jahrgang 1987, studierte Englische Literatur und Philosophie, promovierte über den Begriff der Vergewaltigung. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Hilkje Hänel „Wer hat Angst vorm Feminismus" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©C. H. Beck Verlag

Hilkje Hänel „Wer hat Angst vorm Feminismus – Warum Frauen, die nichts fordern, nichts bekommen“, C.H. Beck Verlag, München 2021. 192. S