„Franz Kafka Die Zeichnungen“ herausgegeben von Andreas Kilcher

Buchrezension "Franz Kafka. Die Zeichnungen" präsentiert von www.schabel-kultur-blog.de

©Herder Verlag

163 Zeichnungen enthält die Gesamtausgabe. Es sind flüchtig gezeichnete Einzelblätter, Skizzen aus Kafkas Zeichnungsheft, Reisetagebücher, Briefe, Postkarten, 26 davon „nur“ Manuskripte und Ornamente, manches von Max Brod gerettet aus Kafkas Papierkorb. 

Nicht alles überzeugt. Aber die reduzierten Strichmännchen kafkaesker Figuren entwickeln im Original noch mehr Magie als in bisherigen Publikationen. Kafkas Figuren sind nicht Illustrationen seiner Geschichten, sondern und davon völlig losgelöst Ikonen der Vereinsamung des modernen Menschen. In nur 11 Zeichnungen, zusammengekauert, isoliert, depressiv werden die Varianten dieses Menschseins deutlich. Die Balance wird nur mehr mittels Stock gehalten. Rodins Denkerpose weicht der Verzweiflung. 

In einzelnen Zeichnungen gelingt Kafka eine mitreißende Schwungdynamik, die er sich teilweise von antiken Vorbildern abgeschaut hatte. Doch dieser Schwung ins Nichts zielend verliert seine heroische Aura. Nur leicht schraffiert tauchen Porträts in schemenhafte Nebenwelten ab. 

Viele Zeichnungen bleiben ganz bewusst im Bereich flüchtiger minimalistischer Skizzen mit experimentellem Charakter bestimmte Formen und Dynamiken zu variieren, auf den Punkt zu bringen oder Textpassagen zu illustrieren. Für Kafka war gerade das Skizzenhafte, sei es noch so marginal und dahingeworfen, eine genuine Kunstform. Als Ausdruck einer frei zeichnenden  Hand ohne Einengung auf Muster und Schulen sieht Andreas Kilcher auch Kafkas Schriftzeichen.

Ausführlich rekonstruiert Andreas Kilcher die komplizierten Besitzrechte und die damit verbundenen Veröffentlichungsprobleme. In „Zeichnen und Schreiben bei Kafka“ erhellt er die historischen und biografischen, ästhetischen und poetischen Hintergründe von Kafkas Zeichnungen, gefördert von Max Brod und dessen künstlerischen Kontakten. Man Brod selbst nahm Kafka zunächst als Zeichner wahr. Erst später erfuhr er, dass Kafka auch schrieb. 

Im Kapitel „Kafka als Zeichner“ findet Andreas Kilcher in Kafkas Brief an die Verlobte Felice Bauer den entscheidenden Satz „Wie gefällt Dir mein Zeichnen? Du, ich war einmal ein großer Zeichner, nur habe ich dann bei einer schlechten Malerin schulmäßiges Zeichnen zu lernen angefangen und mein ganzes Talent verloren.“ Für Max Brod war Kafka eine Doppelbegabung, den er sehr protegierte und in den Kreis „Die Acht“ einschleuste, den Andreas Kilcher bezüglich seines Einflusses auf Kafka genau beschreibt. Diese Künstlergruppe wollte die moderne Kunst in Prag etablieren. Brods Versuch Kafka zu etablieren, ihn drucken zu lassen, scheiterte. Das gelang erst fast halbes Jahrhundert später dem Fischer Verlag, wodurch einige Zeichnungen Kafkas als Cover sehr bekannt und zum Inbegriff kafkaesken Lebensgefühls wurden.

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Andreas Kilcher (Hg) „Franz Kafka Die Zeichnungen“ C.H. Beck Verlag, 368 S.